Kirche und Wirtschaft

Jesu kritische Stellung zum Reichtum

Es mag zu denken geben, daß nicht erst die Pastöre von heute dadurch verdächtig sind, daß sie einen großen [9] Hut haben, der nicht nur für ihr Haupt, sondern auch für andere sachhafte Dinge durchaus offen steht, daß also Kirche und Geld auf eine fatale Weise im Einklang miteinander zu stehen scheinen. Aber auch Paulus hat schon gesammelt, dieses Sammeln nimmt in seinen Briefen einen breiten Raum ein. Und Jesus selbst spricht den Bereich „Haben“ und „Geben“ immer als den zentralen Bereich des Menschen an. In der Bergpredigt steht ja nicht an der Spitze „Selig die Friedfertigen“ oder „Selig die Trauernden“, sondern „Selig die Armen“ – und das hat trotz des Zusatzes „im Geiste“ durchaus etwas mit dem Haben zu tun, wie viele Berufungen zur Nachfolge konkret zeigen: Und sie verließen alles und folgten ihm nach.

Warum spielt das Geld, das Haben, das Geben, das Teilen, das Verhältnis zum Besitz auch in der Urgemeinde von Jerusalem eine solche Rolle? Nun, es gibt drei Imperative, die Jesus in seiner Verkündigung immer wieder an die Menschen richtet: „Kehret um, glaubet an die frohe Botschaft, und folget mir nach!“ (vgl. Mk 1,15). Diese drei Sätze durchziehen das ganze Evangelium, sie stehen schon am Anfang der Predigt Jesu, sie kehren ständig wieder in den Erzählungen von den Jüngerberufungen. Diese drei Imperative lassen ein kritisches Verhältnis zum Reichtum erkennen, sie sind eine Provokation zum Geben und zur Armut. Aber warum ist das so? Weil die Grundbotschaft Jesu lautet: Die Herrschaft Gottes, das Reich Gottes ist nah. Um seinetwillen gilt es, alles andere zu verlassen.

Normalerweise verhalten wir uns, als müßten wir die Welt entwerfen und machen. Ob es mit ihr gut oder schief geht, das erscheint uns als Glücksspiel, das zugleich doch ein Spiel mit unserer Kunst und unserem Witz ist. Aber eine Sache bleibt unserer Kunst und unserem Witz immer vorenthalten: ob die Zukunft, die wir planen, auch wirklich stattfindet. Alles können wir vorsehen für morgen, nur das Eine, Grundlegende können wir nicht machen: daß der morgige Tag kommt. Er kommt von sich aus. Hier liegt die Ohnmacht des Menschen, daß er die Zeit nicht machen kann. Daher in aller Sicherheit und allem Reichtum seine Sorge, Angst und Unsicherheit. Jesus verkündet nun aber: Gott ist nicht der ferne Horizont, der sich in einen Wolkenschleier hüllt, hinter dem seine allmächtige Hand die Sandkörner der Zeit entweder hervorrieseln läßt oder zurückbehält, Gott läßt sich ein mit dem Menschen, er bricht ein in das Leben des Menschen, er richtet seine Herrschaft, d. h. sein Gottsein auf mitten im Lebensraum des Menschen. Ich bin es, sagt Jesus uns, in dem Gottes Herrschaft jetzt anfängt. Und nun hat deine Zeit der Angst, der Sorge und des Planens nicht mehr das letzte Recht. Jetzt kannst du dich auf diesen Gott unmittelbar einlassen, und du mußt es, wenn du mir glaubst. Laß deine Sorge, gib dein Planen aus der [10] Hand, tritt von der Größe deines Selbstentwurfes zurück, und werde wieder wie die Lilie des Feldes und wie der Vogel auf dem Dach! So provokatorisch war die Rede Jesu schon für seine damaligen Zuhörer. Ohne eine entschuldigende Erklärung abzugeben, er wolle dem Menschen nicht zu nahe treten und er meine es nicht so wörtlich, er meine es nur spirituell, hat er dem Menschen auf den Kopf zugesagt: „Kehre um, laß dein bisheriges Leben! Glaube mir, daß in mir Gott mit dir handelt und folge mir nach! Tritt in die Lebensgemeinschaft mit mir ein. Freilich mußt du damit rechnen, daß du alles verlierst, daß du am Ende so dastehst, wie ich dastehen werde, am Kreuz. Du mußt also damit rechnen, daß erst dann Gott dir alles schenken wird, wenn du dich radikal ihm auslieferst, wenn du dein Kreuz auf dich nimmst“.

Dann aber sind mein Planen und mein Haben die beiden Hindernisse, die mir zur Nachfolge Jesu im Weg stehen, wie wir am reichen Jüngling ablesen können. Er hat niemand betrogen, wollte immer nur das Ideale tun. Aber er wollte es tun als der Inhaber nicht nur seiner Lebenspläne, sondern auch seiner Lebensgüter. Darum lädt Jesus ihn ein: „Eines fehlt dir noch: Verkaufe, was du hast, gib deine Güter den Armen und folge mir nach in der Nacktheit und im Ungesichertsein meines Daseins!“ Und der junge Mann geht traurig hinweg. Als die Jünger Jesus dann nach dem Grund fragen, erklärt er ihnen, ein Reicher gehe schwerer in das Himmelreich ein als ein Kamel durch ein Nadelöhr. Und auf ihr betretenes Schweigen erwidert er sodann, was unmöglich sei bei den Menschen, sei bei Gott doch möglich (vgl. Mk 10,17–27). Hier also läßt Jesus eine Ritze der Hoffnung, ein Nadelöhr der Hoffnung offen – auch für uns. Aber schwächen wir mit Berufung auf dieses Nadelöhr die Provokation Jesu nicht vorschnell ab. Im Bereich von Haben und Geben entscheidet sich nämlich, ob wir uns auf das ganz andere Daseinskonzept Jesu einlassen oder nicht.

Das ist das eine, was das Evangelium radikal-kritisch mit Wirtschaft zu tun hat. Das andere: Die Perspektive Jesu – gerade in der Bergpredigt – ist die Perspektive seines Vaters im Himmel. Dieser Vater kennt keine Partikularinteressen, er macht keinen Unterschied zwischen Menschen, die er mag und anderen, die er nicht mag. Er läßt seine Sonne aufgehen über Gute und Böse und läßt regnen über Gerechte und Sünder. Und ihm liegt nicht daran, dem, was verloren ist, Vorhaltungen zu machen, sondern es liegt ihm daran, gerade das Verlorene zu sammeln und zu bergen an sein Herz. Weil er der Vater ist, weil er ein Herz hat, deswegen trifft ihn das, was am Rande steht, besonders tief ins Herz. Weil der Vater so ist, darum ist auch Jesus so. Und darum will er, daß auch wir so sind. Als Söhne des Vaters im [11] Himmel sollen wir in verschwenderischer Freigebigkeit etwas von der Zuneigung, der Vorliebe, der Leidenschaft des Vaters zum Letzten und Ärmsten mitleben.