Kirche und Wirtschaft

Kirche und Wirtschaft

[3] Der Gedanke, den ich Ihnen hier vortragen möchte, ist ein etwas gewagter Versuch, keine Sache, die durch das Lehramt der Kirche geregelt ist und für alle Zeiten feststeht. Es ist vielmehr das Mitdenken eines Christen aus seiner Verantwortung und aus seinem Sich-Besinnen auf den Glauben und auf den Weltbezug dieses Glaubens. Wenn über ein solches Thema jemand spricht, der durch seinen Beruf und seine Stellung in exponierterer Weise ein Mann der Kirche ist, so stellt sich wie von selbst in einem Auditorium von Wirtschaftsexperten ein bunter Blumenstrauß von Erwartungen und Befürchtungen ein.

Etwa die Befürchtung vor einem spiritualistischen Auseinanderrücken der Ordnungen – oder die Hoffnung auf solch eine Scheidung. Kirche ist das eine, Wirtschaft das andere; Symbiose ist dann gesichert, wenn die eine Ordnung die andere nicht berührt. Auf diese Weise kann man sich Artigkeiten sagen, Freundlichkeiten austauschen, ohne doch genötigt zu sein, den anderen in seinem Eigenen wirklich ernstzunehmen.

Oder ein augenzwinkernder Pragmatismus, der weiß: Kirche fährt nicht gut, wenn sie es sich mit der Wirtschaft verdirbt. Und deswegen sollte sie ruhig die Rechte und Nöte, die Besonderheiten und Notwendigkeiten der Wirtschaft ein wenig hofieren. Dies könnte vordergründig eine sympathische Schützenhilfe und zugleich eine elegante Werbung in einem zweifellos wichtigen Bereich unserer Gesellschaft sein. Aber wem hilft das?

Eine andere, keineswegs grundlose Befürchtung könnte so aussehen: Der weiß als Theologe, als Bischof bloß abstrakt von der Nächstenliebe und zieht von ihr deduktiv die Linien aus zu dem, was wir tun. Vielleicht will er uns durch das Ideal von der armen Kirche provozieren, ins Gewissen reden. Aber gerade so wird er an uns vorbeireden, weil er nur zu gut zu erkennen gibt, daß er von den immanenten Sachzwängen der Wirtschaft nicht viel versteht.

Und nicht zuletzt könnte der Gedanke an die christliche Soziallehre Hoffnung und Befürchtung auslösen. In ihr liegen doch Normen für die Wirtschaft bereit. Dem einen könnten sie befreiend vorkommen, weil sein Gewissen sich verunsichert und verwirrt fühlt, weil er Orientierung sucht. Ein anderer würde hingegen eine ideologische Vereinnahmung für die eigenen Zwecke, einen eleganten, aber nicht ungefährlichen Integralismus hinter solchem Versuch wähnen.

Schließlich gäbe es noch die entgegengesetzte Befürchtung: daß der Kirchenmann sich angesichts der komplexen Lage seines Gewissens und in Respekt vor dem Gewissen [4] dessen, der in der Wirtschaft steht, zurückzieht und die anderen mit ihrer Ungewißheit und Not sich selber überläßt.

Ich muß vorausschicken, es wäre mir zu wenig, bloß einer christlichen Motivierung des wirtschaftlichen Verhaltens das Wort zu reden – etwa derart: Tut alles mit Liebe! Ich kann und will aber auch kein fertiges Handlungsrezept liefern. Ich möchte vielmehr zu einer Besinnung einladen, die zum selbständigen Nachdenken und zum Handeln aus christlicher Überzeugung anstoßen soll. Ich will Ihnen die Perspektive des Glaubens eröffnen, damit Sie in ihr Ihre Verantwortung, Ihren eigenen Dienst und Beitrag selber ausfindig machen und wahrnehmen können.