Berufung und Nachfolge. Zum Text „Leben heißt antworten“: Was bedeutet Berufung heute?
Konkrete Schritte auf dem Weg der Berufung
Wie an den Berufungsgeschichten, die Klaus Hemmerle anführt, deutlich wird, braucht Berufung aber auch die Begegnung mit „Deutern“ und „Wegweisern“. Das Gehen auf dem Weg mit Jesus findet nie im luftleeren, quasi a-personalen Raum statt. Es bedarf Menschen, die wie Johannes sagen: „Da ist das Lamm Gottes“ (Joh 1,29) oder wie die Jünger es sagten: „Wir haben den gefunden, der der Gesalbte Israels ist“ (Joh 1,41). Gerade heute, 25 Jahre nach dem Tod von Klaus Hemmerle, bekommt diese Dimension seines Textes eine neue Aktualität. Die Ernsthaftigkeit, mit der jede christliche Berufung nicht nur gelebt, sondern auch ausgedeutet und begleitet werden muss, kann heute zu einer heilsamen Provokation für Kirche und Theologie werden, gerade weil Hemmerle die existenzielle Ernsthaftigkeit der Berufung wahrnimmt, und ihr trotzdem mit der ihm ganz eigenen Art den Charakter eines Spiels1 gibt, das jedoch nichts Infantiles an sich hat, sondern das Leben auch leicht zu nehmen weiß. So beendet Hemmerle den vorliegenden Text mit drei konkreten Aufforderungen, die zum Wachsen und Finden der eignen konkreten Berufung beitragen können:
- Schritte tun: Das heißt aktiv sein und auf Jesus vertrauensvoll zugehen wollen.
- Neu werden: Das heißt bereit sein, sich anfragen zu lassen, sich von Jesus her neu zu empfangen und mich vom Anderen her zu denken. Bis dahin, mir wie Petrus einen neuen „Namen“ geben zu lassen, also meine Identität ganz prägen zu lassen.
- Weggemeinschaft leben: Das heißt eintreten in den Lebensraum des dreifaltigen Gottes, der selbst liebende Beziehung ist und diesen Raum für uns bereithält. Hemmerle würden sagen: trinitarisch leben.
Im Zusammenspiel dieser drei Aspekte und auf der Grundlage der beiden fundamentalen Berufungen zum Leben und zum Mensch-Sein erwächst dann eine tragfähige Antwort auf den An-Ruf an meine Existenz. So möchte ich abschließend nochmal Klaus Hemmerle selbst zu Wort kommen lassen:
„Ja, im Anfang ist der Ruf. Und der Ruf ist Fleisch geworden und wohnt bei mir, damit ich Antwort werde, und so Ruf der Hoffnung und der Liebe für viele.“
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Der Begriff des Spiels bzw. des Zusammenspiels war für Hemmerle ein wichtiger erfahrungsbezogener Begriff. ↩︎