Der Begriff des Heils

„Korrekturen“ im Heilsbegriff

Die ausgeführten Aporien haben für das Heilsverständnis oder zumindest für die Verständlichkeit von Heil korrektive Bedeutung. Sie sei hier nochmals im Zusammenhang skizziert.

Übernatürlich – diese Bestimmung läßt sich – wie gezeigt – nicht mehr im Sinn eines „Bereiches nebenan“ oder eines „Zusatzes zu“ verstehen, wohl aber als die Gewähr, die sich selber schenkt, indem sie den Menschen und der Welt ihre Beziehung zueinander schenkt. Ein – nicht erschöpfend inhaltliches, wohl aber in den dynamischen Proportionen zutreffendes – Modell läßt sich auf Grund der augustinischen Aussage gewinnen, daß der Liebende die Liebe selber liebe. Wo Liebe geschieht, da geschehen drei „exklusive“ Aussagen zugleich, die in ihrer jeweiligen Exklusivität die anderen beiden gerade impli- [221] zieren. Der Liebende sagt mit seinem Vollzug: nur du! Im selben Vollzug sagt der Liebende aber: Du bist mein Leben, jetzt erst lebe ich! Die reine Hinwendung zum Du und das reine Sich-Finden in der Wegwendung koinzidieren aber in der innersten Aussage des Vollzuges: Lieben, einfach lieben, sonst nichts! Die beiden Pole gewähren einander in der Beziehung, und darin ist ihnen mehr als nur sie selbst, ist ihnen die Liebe selber gewährt.

Ewig – dieser Begriff verliert seine Assoziierbarkeit mit einem Nachher, mit einer verlängert gedachten Zeit. Ewigkeit ist jetzt, jetzt aber als das unendliche andere Mal desselben Jetzt; die Andersheit dieses ewigen Males dieses selben Jetzt wirkt grenzenlose Kommunikation, Füreinander-Werden derer, die zwar in der Verlaufszeit im ganzen füreinander da sind, ohne daß sich dieses Füreinander jedoch ins grenzenlose Miteinander eröffnen könnte. Ewigkeit ist Kommunikation eines jeden Jetzt mit jedem Jetzt.

Der transzendentale Charakter von Heil, der Heil als Heil der Welt erscheinen läßt, nimmt, in der Krisis seiner Korrektur, das Moment der Unselbstverständlichkeit durchaus mit auf. Heil erschöpft sich nicht darin, wie das verum oder das bonum eine transzendentale Bestimmung zu sein, die ontologisch allem Seienden schon dadurch zukommt, daß es ist; vielmehr ist Heil nur dadurch Heil, daß es seine Macht aus der „Entzogenheit“ entfaltet, die Freiheit frei läßt, so aber gerade engagiert. Die Einrede der Endlichkeit und Relativität einer jeden Gestalt von Heil gegen einen transzendentalen Anspruch – das „Ärgernis“ des Anspruchs Jesu – hebt ebenfalls diesen transzendentalen Anspruch nicht auf: gerade die radikale Immanenz menschlichen Daseins läßt Transzendenz nur verständlich werden, indem sie Insistenz des Transzendenten ins Endliche und im Endlichen ist. Dies aber ist der Anspruch Jesu.

Die schärfste Korrektur, die nicht mehr etwa am Heil, sondern dieses selbst betrifft, erfährt der Heilsbegriff durch die christliche Priorität der Herrlichkeit Gottes vor dem Heil. Weil aber – christlich gesprochen – der herrliche, der souveräne Gott sich von sich aus dem Menschen zuwendet, läßt sich – um der Herrlichkeit Gottes willen – Heil nicht von Herrlichkeit trennen. Auch der „außerchristliche“ Verdruß des Menschen an humanistischer Selbstthematisierung hebt nicht auf, daß die Wegwendung des Menschen von sich sein „Wesen“, der geschehende „Gewinn“ seines Menschseins ist – also: sein Heil.

Die kritische Korrektur der Bestimmungen des Heils und der Bestimmung Heil destruiert also nicht den Heilsbegriff, sondern radikalisiert ihn.