Der Ruf nach Klarheit und Offenheit
Küng hat vielen Menschen neue Zugänge eröffnet
Zunächst einmal: Professor Küng hat vielen Menschen Zugänge eröffnet, um überhaupt die Welt des Glaubens ernstzunehmen und mit der Grundbotschaft des Christentums etwas anzufangen. Es wäre zu [409] einfach, ihm den Vorwurf zu machen, um viele zu gewinnen, sei er zu unverantwortlichen »Preisermäßigungen« des christlichen Glaubens bereit. Er möchte schon, daß wir Jesus Christus folgen als dem einzigen, an dem unser Heil hängt. Er möchte schon, daß wir dies nicht nur als Individuen tun, sondern miteinander, in einer Kirche. Er weiß schon, daß es da auch etwas nötig hat wie ein Amt, etwas nötig hat wie Festlegungen, Sätze, in denen man sich über die gemeinsame Glaubensbasis verständigt. Aber er möchte dies alles so formulieren, daß es einem Zeitgenossen, der eben nicht aus der kirchlichen Tradition herausgewachsen ist, sondern aus dem Lebensgefühl und der Lebenserfahrung von heute, verständlich und verkraftbar wird. Er will einen guten und gangbaren Weg durch beileibe nicht wegbares Gelände bahnen. Und nun hat er sich – nach dem Urteil des Papstes und der Bischöfe, nach dem Urteil auch sehr vieler und kompetenter Theologen – dabei „verstiegen“. Es gab seit mindestens 10 Jahren immer wieder ernste Versuche, ihn zurückzurufen. Aber er hat sich nicht überzeugen lassen, daß der Weg anderswo geht. Und nun sind Papst und Bischöfe zur Überzeugung gekommen, sie dürften so ihm nicht länger den Dienst des Wegführers anvertrauen. Sie haben ihm den Auftrag dazu, in der theologischen Lehre den Weg weiterzuweisen, entzogen. Er muß in einigen wichtigen Punkten die Richtung ändern. Sonst kann er diesen Auftrag nicht zurückerhalten.
In einigen wichtigen Punkten, dies dazuzusagen ist wichtig. Denn daß vieles von dem, was Professor Küng sagt, wegweisend sein und bleiben kann, daran besteht kein Zweifel, und davon soll kein Abstrich gemacht werden.
Hätte man nicht noch länger, hätte man nicht noch anders mit ihm reden müssen? Diese Frage wird immer wieder gestellt. Es machte Überdruß, immer neu auf das, was geschehen und was nicht geschehen ist im Versuch eines Gespräches mit Professor Küng, hinzuweisen. Ich glaube, man sollte doch einmal die Dokumentation ganz einfach in sich selber sprechen lassen, welche die Deutsche Bischofskonferenz vorlegt.
Aber man sollte noch etwas anderes: wirklich und ernstlich fragen, welches denn die Punkte sind, in denen Professor Küng und das Lehramt nicht einig wurden, und warum diese Punkte der Kirche so wichtig sind.