Volk Gottes auf dem Weg
Lebendiges Wort
Der Glaube kommt vom Hören, das Hören von der Predigt, die Predigt von der Sendung Christi, so erklärt es uns an einer entscheidenden Stelle der Römerbrief des Apostels Paulus (vgl. Röm 10,14–15). Es ist ein und dasselbe Wort, in welchem Christus den Vater und sich vom Vater her offenbart, in welchem er den Auftrag gibt, dieses Offenbarte zu verkünden, in dem er die Boten dieses Wortes sendet, ein und dasselbe Wort, das diese Boten verkünden, dem die Hörenden glauben, daß sie glaubend miteinander bekennen, daß ihr Glaube weiter verkündet und somit der Welt weitergibt. Der Raum, in welchem diese Einheit und Selbigkeit des Wortes und zugleich der Weg dieses Wortes vom Herrn in die Welt und ihre Geschichte hinein geschieht, ist die Kirche. Alles kommt darauf an, daß dieses Wort dasselbe Wort bleibt, alles kommt zugleich darauf an, daß dieses selbe Wort seinen Weg nimmt, sich weitergibt und übersetzt in das Leben der vielen hinein, für das dieses Wort gegeben wurde, für das dieses Wort sich selbst hingegeben hat. Denn dieses Wort ist nicht eine zusätzliche Information zum Leben, Sterben und Auferstehen Christi, sondern er selbst, er der Lebendige, sich für uns in den Tod Gebende, vom Vater Auferweckte, ist dieses Wort, das Wort Gottes, das Fleisch geworden ist. Indem also das Wort von Jesus dem Christus in der Kirche lebt, lebt er selbst in der Kirche, durch sein Wort, und das heißt: durch den Glauben an sein Wort wird die Kirche Stätte der Gegenwart Jesu für die Welt. Jesus, das Wort des Vaters, was heißt das für uns? In Jesus gibt Gott nicht nur Informationen, in Jesus schafft Gott nicht nur neue Fakten, in Jesus öffnet sich Gott selbst, schließt er sich auf, sagt er sich aus der Tiefe seines Geheimnisses über sich hinaus, in unsere Welt, in unser Dasein hinein. In Jesus ist Gott da, mitten unter uns. Gott gibt in ihm der Welt so sein Wort, wie Eheleute bei der Hochzeit einander ihr Wort geben, sich für sich selbst verbürgen, sich selbst einander ausliefern, sich selbst überschreiten ins Dasein des Partners hinein. Und Jesus selbst ist dieses Wort, indem er eben sich weggibt, sich über sich hinaussagt mit seinem Blut, sich ganz weg- und lossagt von sich selbst in den Vater und in uns hinein. Es ist so auf geheimnisvolle Weise „dasselbe“, wenn er sein Blut vergießt und wenn er seine Botschaft gibt, die Apostel sendend. Denn der Sinn seines Sterbens ist nicht das ihm Widerfahrende, daß nun biologisches Leben aufhört, sondern in diesem Tatbestand ereignet sich eben die Mitteilung Gottes, daß er uns liebt, daß wir ihm so viel [11] wert sind, daß er um unseretwillen seinen eigenen Sohn nicht schonte (vgl. Röm 8, 32 Joh 3, 16). Der „Tatbestand“ ist also „Mitteilung“, nur als solche geht sein Sinn und seine Bedeutung auf. Umgekehrt ist aber auch die Verkündigung der Botschaft nicht bloße Information, sondern Ereignis: das Leben Gottes, in Jesus geschenkt und angeboten, kommt in einer konkreten Situation an, begreift das Leben anderer mit ein, geht in diesem Leben der anderen auf.