Caritas – eine theologische Reflexion zwischen Konzil und Synode
Liebe und Caritas
Die angerissenen Fragen nach dem Menschen, nach der Gerechtigkeit, nach der Kirche sind beinahe beliebig herausgegriffene Beispiele dafür, wie Liebe als hermeneutisches Prinzip angewendet werden könne. Diese „Beliebigkeit“ hat dennoch einen Hintergrund: Der Anlaß zu unserer Reflexion über Caritas ist ja das Jubiläum des Verbandes, der diesen Namen trägt. Er steht in der heutigen Situation in der Anforderung, sich nach seinem Dienst für den Menschen, nach dem Verhältnis seines Auftrags zum Dienst an der Gerechtigkeit in der Welt, nach seinem Ort in der Kirche zu fragen.
Diese Fragen werden durch die vorstehenden Überlegungen keineswegs abgegolten; doch wird der Horizont umrissen, der bei der Besinnung der Caritas auf ihren Weg im Blick sein muß. Gewiß, „alles“ im Christentum hat mit der Liebe zu tun; doch es wäre ein Kurzschluß, daraus eine Allzuständigkeit organisierter Caritas in der Kirche abzuleiten. Andererseits würde organisierte Caritas aber ihrem Auftrag in unserer Zeit, der auch von ihr geforderten Gleichzeitigkeit mit der Zeit nicht gerecht, wenn sie nur konkrete Kompetenzen und Aufgaben aus dem Gesamt kirchlichen Auftrags und kirchlicher Sendung für sich herausrechnete. Sie muß ihre Kompetenzen und Aufgaben im Kontext eines christlichen Gesamtverständnisses Gottes, des Menschen und der Welt, das heißt aber im Kontext eines theologischen Verständnisses der Liebe sehen und darüber wachen, daß solches Verständnis in der Kirche lebendig wird und lebendig bleibt.