Materialien und Überlegungen zum Italienbild Klaus Hemmerles

Von der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926-1973) ist die Äußerung überliefert: „Ich habe kein Italienerlebnis, nichts dergleichen, ich lebe sehr gerne hier.“[1] In Anlehnung an dieses Diktum könnte ich im Hinblick auf Klaus Hemmerle sagen: Er hatte kein Italienbild, nichts dergleichen, er ist nur seit Ende der 1950er Jahre oft und gerne in Italien gewesen. Allerdings: „Leben in Italien ohne Erlebnis Italiens, wie geht das zusammen?“[2] Und wie sollte jemand über viele Jahre Italien aufsuchen und dabei nicht ein wie immer geartetes Bild von diesem Land gewinnen?

Das Dementi ist denn auch nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit, aber ein erforderliches erstes. Ob nämlich eine deutschsprachige Dichterin auf ihr Italienerlebnis hin angesprochen oder nach dem Italienbild eines katholischen Bischofs gefragt wird, beides ist kein „unschuldiges“ Fragen. In beiden Fällen transportiert die Frage bereits einen bestimmten Deutungs- bzw. Erwartungshorizont.

Insofern musste Ingeborg Bachmann ein Italienerlebnis zunächst einmal dementieren. Zu sehr bot es sich an, sie, die es immer wieder nach Italien gezogen und die sich schließlich in Rom niedergelassen hatte, hineinzuverrechnen in die „Traditionslinie der Italiensehnsucht“[3]: in das Vorstellungsmuster vom Künstler, den es nach Italien zieht, um dort im Kunst- und Naturerleben als Künstler wiedergeboren zu werden. – Insofern wird aber auch zum Italienbild Klaus Hemmerle Relevantes nur gesagt werden können im Durchgang durch eine Verneinung. Denn was liegt bei einem Mitglied der Hierarchie der katholischen Kirche näher, als zu erwarten, dass sein Italienbild vornehmlich ein Rombild und zudem ein vatikanzentriertes Bild von Rom ist? Doch gerade dies ist bei Hemmerle nicht der Fall.

Im Folgenden werden deshalb nicht nur die zugänglichen schriftlichen Dokumente aus der Hand Klaus Hemmerles[4] und die greifbaren biographischen Informationen[5] daraufhin zu untersuchen sein, inwieweit sie die Rede von einem Italienbild Hemmerles überhaupt rechtfertigen können, sondern es wird auch ein Vorgehen nötig sein, das eher einem Krebsgang gleicht als einer systematischen Rekonstruktion.