Zwischen Bistum und Gesamtkirche

Methodische Konsequenzen

Natürlich ist das Gesagte nur der vergröbernde Abriß eines viel komplexeren Problemzusammenhangs; dennoch reicht es aus, um methodische Schritte des Zugangs zu unserem Thema zu sichern:

a) Es gibt vorgegebene Notwendigkeiten und offene Möglichkeiten, es gibt Unaufgebbares und je neu zu Gestaltendes, das bei jeder theologischen und zumal bei jeder ekklesiologischen Frage zur Synthese zu bringen ist. Diese Synthese ist keine Addition, aber auch keine Vermengung. Sie ist im Grunde formuliert durch das, was Jesus Christus selber ist: der radikal von Gott angenommene und Gott übereignete Mensch, der radikal hingegebene und im Menschen angekommene Gott. Diese Synthese selbst ist das wahrhaft bleibende und doch je neu zu gewinnende Maß. Was diese Synthese nicht nur als „fundamentale Wahrheit an sich“, sondern was sie für die jeweilige Frage, im jeweiligen Zusammenhang konkret bedeutet, darauf zu achten, hat den Vorrang vor aller Einzelorientierung an Dokumenten, Daten und Möglichkeiten. Sie alle erhalten so erst ihren Stellenwert und ihr Relief.

b) Doch gerade wer diese Synthese ernst nimmt, ist dadurch auch genötigt, das „Material“ ernst zu nehmen. Die Synthese, die Jesus Christus ist, und die Synthese, die Kirche ist und zu sein hat, ist ja nirgendwo anders als im Material der Geschichte zu greifen. Es gibt keinen Zugang zu dieser Synthese, der an der harten, endlichen Gestalt des geschichtlich Geschehenen und Geschehenden vorbeiführt. Was steht in den Quellen der Offenbarung, was in [25] den Aussagen und Festlegungen kirchlichen Amtes, was in den Bezeugungen des Glaubens und Lebens der Kirche, was in den gedanklichen Entwicklungen der Theologie zu einem Thema? Um die Mühsal dieser Fragen, um die Begrenzung des Spekulations- und Handlungsraumes, der durch solche Fragen umrissen wird, ist nicht herumzukommen. Andernfalls wäre alles theologische Reflektieren und ekklesiologische Konstruieren nur Auslegung des menschlichen Selbst und nicht Auslegung der Offenbarungstat Gottes. Setzt man die Fragen nach den Positiva der Offenbarung und der Kirche aber in den Rahmen der geforderten Synthese, so verliert das einzelne Faktum seine blinde Zufälligkeit. Man kann nicht mehr im ungeprüften Irgendwo eigenen Beliebens den Schnitt ansetzen, bis wohin der genuine Anspruch der Offenbarung reicht, von wo an die Kirche von ihrem Ursprung abgefallen ist.

Daß eine Aussage oder Gestalt älter oder jünger, primitiver oder ausgefalteter als die andere ist, sagt nicht mehr das Ausschlaggebende für oder gegen ihren Rang; der Blick auf die Synthese erlaubt es, Entwicklungen nach rückwärts, aber auch nach vorwärts zu lesen, Peripheres und Zentrales zu gewichten, dabei aber auch das Zentrale im Peripheren sich spiegeln zu sehen.

c) Die Orientierung an der „Synthese“ achtet indessen nicht nur auf das, was sich wandeln, was neu gewonnen werden muß. Es geht darum, daß in allen Umbrüchen und Entwicklungen der Urtext seine Konturen behält, daß er nicht untergeht in hermeneutischer Betulichkeit; es geht aber gerade – um des Urtextes willen, der Emmanuel, Gott-mit-uns heißt – genauso darum, das geschichtlich, auf dem Weg der Menschheit je neu Gewordene in die Synthese Jesus Christus einzubringen und diese Synthese in die je neuen Verstehenshorizonte, Lebensbedingungen, Kommunikationszusammenhänge hinein zu übersetzen. Die Frage: Was ist möglich? bleibt kein unverbindliches Spiel, sondern wird zum Vollzug des „pro hominibus“, somit aber zum Nachsprechen des Urtextes selbst.