Lerne am Herd die Würde des Gastes
Mit Zeichenstift oder Schreibstift
Wilfried Hagemann berichtet, dass die Bekanntschaft mit dem Maler Nicola Marotta,1 einer der Schwiegersöhne Frau Manuntas, in Hemmerle schon bald den Wunsch geweckt habe zu malen.2 So ist das Gros der Bilder Hemmerles entstanden – Aquarelle und Zeichnungen, auf billigstem Papier und mit einfachsten Utensilien, wie der Maler und Aachener Priester Herbert Falken einmal bemerkt hat: „Es hat den Eindruck, als ob der Urlauber in Alghero zum Gemischtwarenhändler um die Ecke gegangen ist und dort nach einem Schulmalblock, einem Schulpinsel und Kinderfarben verlangte, auch ein Bleistift und ein Kuli taten es, den Bleistiftspitzer hatte er noch vom vorigen Jahr in der Tasche.“3
Etwa 500 Bilder Hemmerles sind heute im Besitz der Diözese Aachen; verwahrt werden sie im Diözesanarchiv. Allerdings sind diese nicht alle auf Sardinien entstanden.4 Wie viele dort gemalte Bilder überhaupt existieren, wird sich kaum noch feststellen lassen, da Hemmerle immer wieder einzelne Exemplare an Freunde oder engere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschenkt hat.5
Wann die Gedichte, auf die noch näher eingegangen werden soll, im Einzelnen entstanden sind und wann Hemmerle überhaupt begonnen hat, in Alghero Gedichte zu schreiben, ist mir nicht bekannt. Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass Klaus Hemmerle im Urlaub 1988 an den Gedichten gearbeitet hat. Auch kann ich keine Einzelheiten über den Entstehungsprozess berichten. Die Gepflogenheiten Hemmerles geben jedoch Anlass zu der Vermutung, dass es Entwürfe und Vorstücke gegeben hat – notiert auf einem einfachen Schreibblock oder auf kleinen und kleinsten Zetteln.
Greifbar ist die Gedichtproduktion Hemmerles in Alghero m. W. heute nur noch in einer von ihm selbst konzipierten Sammlung von 62 Gedichten. Von dieser Sammlung existierte ursprünglich ein Manuskript Hemmerles, gefertigt auf losen Blättern im DIN A 4-Format. Es entstand im Winter 1988/1989 in Aachen. Auf der Grundlage dieses Manuskripts erstellte Frau Marianne Bandel, die Sekretärin Hemmerles, 1989 ein Typoskript. Die handschriftliche Reinschrift ist nicht erhalten, da es seinerzeit Gepflogenheit war, nach erfolgter endgültiger maschinenschriftlicher Abschrift die Manuskripte Hemmerles bzw. eventuelle Vorstücke zu vernichten. Das ist in diesem Fall leider ebenfalls geschehen.
Nach Hemmerles Tod wurden schon bald einzelne Gedichte an verschiedenen Orten veröffentlicht – teils zusammen mit ausgewählten Aquarellen.6 Darüber hinaus wurde 1994 der gesamte Textkorpus durch Karlheinz Collas – Klaus Hemmerle hatte ihn, seinen Generalvikar, zum Verwalter seines Nachlasses bestellt – in der Form eines Privatdruckes einem erweiterten Personenkreis zugänglich gemacht. Es handelt sich um ein broschiertes Heft im DIN A 5-Format.7 Grundlage dieser Ausgabe war das Typoskript von 1989. Hinzugefügt wurde nur ein Inhaltsverzeichnis. Allerdings sind die Texte nochmals neu geschrieben worden; und dabei haben sich einige wenige Versehen eingeschlichen: Tippfehler und Verdrehungen in der Wortfolge.
Zu Lebzeiten Klaus Hemmerles kannten die Bilder und wussten von den Gedichten nur wenige. Dass er jemals eine Ausstellung seiner Bilder erwogen hat, halte ich für unwahrscheinlich. Herbert Falken berichtet, bei seiner ersten Begegnung mit Hemmerle nach dessen Amtsantritt als Bischof von Aachen, habe dieser ihm zaghaft die Bilder seines letzten Urlaubes gezeigt. „Ich muß wohl falsch reagiert und offensichtlich vorschnell mit künstlerischen Maßstäben argumentiert haben, denn er zeigte mir auf Bitten hin niemals mehr seine malerischen und zeichnerischen Notizen.“8 Und vielleicht gehören Hemmerles Urlaubsaquarelle ja auch – wie Falken urteilt – „zum Intimsten, was wir von ihm haben“.9
Zweifellos stellen auch seine Gedichte sehr persönliche Zeugnisse Klaus Hemmerles dar. Ob er ihre Veröffentlichung jedoch prinzipiell ausgeschlossen hat, ist m. E. fraglich. Faktisch hat er einen entsprechenden Vorschlag Herbert Falkens zwar abgewehrt. Doch der Grund, den er nannte: „Nein, was meinen sonst die Leute, wozu ein Bischof noch Zeit hat?“,10 betrifft nicht die Texte selbst.11
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Vgl. http://www.nicolamarotta.it/ (22.7.2006). – Marotta hat Hemmerle ebenfalls ein Gedicht gewidmet: „Der Maler // für Nicola Marotta // Schieß deinen Pfeil ins Nichts, / triff das Geheimnis, / laß seine Form dir zufallen, / im Fluge erjagte Beute, / tauche sie in Erdfeuer und Meerblut / und teile sie aus.“ ↩︎
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Zum bildnerischen Nachlass Hemmerles vgl. Hagemann, Alle eins damit die Welt glaubt (Anm. 5), 152 f.; Reidt, Franz: Die Seele entfalten und das kurze Leben, in: Augenblicke (Anm. 45), 9–11; ders., WORT SINN BILD. Zum bildnerischen Nachlaß von Bischof Klaus Hemmerle, in: „Bilder sind Wege“. Aquarelle und Zeichnungen. Ausstellung aus Anlass des 5. Todestages und des 70. Geburtstages von Bischof Klaus Hemmerle, hg. v. Katholischen Bildungswerk der Region Eifel im Bistum Aachen [u. a.], Schleiden 1999, 49–52; Falken, Herbert: Zu den Aquarellen und Zeichnungen von Klaus Hemmerle, in: Augenblicke (Anm. 45), 13–15. ↩︎
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Falken, Zu den Aquarellen und Zeichnungen (Anm. 51), 14. ↩︎
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Später hat Hemmerle auch in der Schweiz gemalt, wo er sich im Sommer mit anderen Fokolar-Bischöfen traf; vgl. Hagemann, Klaus Hemmerle in Alghero (Anm. 45), 8. ↩︎
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Vgl. z. B. Hagemann, Wilfried: Ein Meister des Lebens, in: Klaus Hemmerle (Anm. 12), 34. ↩︎
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Vgl. Frühling in Alghero, in: Klaus Hemmerle (Anm. 12), 36–50; Augenblicke (Anm. 45), 19, 24, 30, 42, 45 – bei dieser Publikation sind die Gedichtüberschriften weggelassen worden, und in einem Fall wird ein Gedicht nur zum Teil wiedergegeben; Feiter, Reinhard: Gedichte sind Spuren, in: „Bilder sind Wege“. Eine Dokumentation, hg. v. Katholischen Bildungswerk der Region Eifel im Bistum Aachen, Schleiden 2000, 34–61. ↩︎
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Frühling in Alghero. Sardische Notizen. März 1988, hg. v. Karlheinz Collas, o. O. [Aachen] o. J. [1994], 70 S. ↩︎
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Falken, Zu den Aquarellen und Zeichnungen (Anm. 51), 14. ↩︎
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Ebd., 13. ↩︎
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Ebd., 14. ↩︎
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Hinsichtlich seiner Textproduktionen war Klaus Hemmerle auch nicht ohne Selbstbewusstsein; und Gedichte bzw. gedichtartige Texte finden sich an manchen Orten im publizierten Oeuvre Hemmerles. Vgl. Dein Herz an Gottes Ohr. Einübung ins Gebet, Freiburg i. Br. 1986, 154, 158; Aachen 1986 – eine Botschaft?, in: AS IV, 396, oder auch den oben wiedergegebenen Text „Trag dein Haus“. Allerdings hat er selbst diese Texte m. W. nirgends als Gedichte bezeichnet, wie ja auch die sardischen Gedichte „Sardische Notizen“ heißen. ↩︎