Vorspiel zur Theologie

Mitspiel: Nachfolge

Nur wenn wir uns ins Spiel der Nachfolge einlassen, nur wenn wir aus dem Antrieb des Geistes mit Jesus seinen Weg zum Vater gehen, sind unsere Gedanken nicht bloße Spekulation. Daß wir in Jesus hineingenommen werden, daß in ihm Gott nicht nur unser Spiel mitspielt, sondern wir auch das seine: das erst ist das volle Maß, die ganze Communio, auf die Gottes Sich-Geben zielt.

Eines freilich mag uns zögern lassen: Sind unsere Aussagen über Jesus, mehr noch: über das dreifaltige Leben Gottes wirklich gedeckt durch das, was wir historisch als die ureigenste Botschaft Jesu sicherstellen können? Auch wenn wir zu erkennen vermögen, daß die Tendenz der Botschaft und des Weges Jesu vor Ostern in die aufgedeckte Richtung geht, so ist doch der Überschuß, ein dreifacher Überschuß, unverkennbar: Überschuß der Aussagen von Jesus und seinem Gottverhältnis im Neuen Testament über den „historischen Jesus“ hinaus; [155] Überschuß des kirchlichen Dogmas über die biblischen Texte hinaus; Überschuß der theologischen Besinnung über das dogmatisch Festgelegte hinaus.

Lassen wir uns indessen in die Dynamik der Nachfolge ein, so erkennen wir: Dieser Überschuß ist unvermeidlich, ja er ist Bedingung der Treue, der Identität. Was Jesus will, zielt über ihn selbst hinaus und trifft nur in der Wiederholung dessen, was er sagt und tut, sein Sagen und Tun. In einer Wiederholung allerdings, die nur überbietend das einholt, was sie wiederholt – dadurch, daß sie es ins Zeugnis des Bekenntnisses und der Nachfolge übersetzt. Erst in unserem Mitspiel der Nachfolge, der Nachfolge Jesu auf den Vater zu im Heiligen Geist, erst dort, wo wir den Einsatz unseres Daseins erbringen, wird offenbar, welches wahrhaft der Einsatz Jesu, der Einsatz Gottes in Jesus ist, den er in unser Dasein, in unsere Geschichte einspielte.

Das Mehr des Zeugnisses, das Mehr der Nachfolge ist nicht nur die Steigerung in der Ordnung der Aussage und der Reflexion – vom historischen Jesus hin zum Bekenntnis des dreifaltigen Gottes. Das Mehr ist auch die Steigerung des Werkes, der Frucht – gemäß der Verheißung Jesu, daß jener, der an ihn glaubt, dieselben Werke, ja größere Werke tun werde als er.

Indem wir in die Nachfolge eintreten, indem wir mitspielen mit Jesus, geht das Spiel kraft des Geistes durch uns aufs neue an: Spiel unseres Zeugnisses hinein in die Welt. Doch sowenig Gott als Einsamer auf dem Spielfeld unseres Daseins steht, so wenig können wir ihn bezeugen, wenn wir nur einzelne bleiben. Gewiß, jeder muß den Mut haben, so verkannt und so verlassen, so allein wie Jesus das Ja zum Vater zu sagen und an seine Liebe gegen allen Anschein zu glauben. Aber wie gerade aus [156] der Verlassenheit Jesu der Geist frei wurde und in ihm unsere Gemeinschaft mit dem Vater anhob, so soll aus unserer unabnehmbaren, einmaligen, im Extremfall einsamen Nachfolge Gemeinschaft erwachsen. Das Ziel Gottes ist: Nicht bloß das, was in uns, sondern auch das, was zwischen uns ist, soll hineingenommen werden ins Spiel seines Lebens. Nicht allein zwischen uns und ihm soll sich sein Leben wieder-holen, sondern auch in unserem Miteinander. Erst darin hat Gott sich uns ganz gegeben, daß er uns gibt, sein Leben als menschliches, als mitmenschliches zu leben. Nicht als ob Mitmenschlichkeit zum dreifaltigen Leben hochstilisiert werden dürfte, umgekehrt: Dreifaltigkeit wird das gewährende und überbietende Maß jenes Lebens der Einheit, das der Sohn vom Vater für uns erbittet: „Laß alle eins sein, wie du Vater in mir und ich in dir, damit die Welt glaube“ (Joh 17,21).

Die Grundspiele unseres Lebens, alle Interpretations- und Gestaltungsspiele sind so neu zu sich selber eingesetzt und sind zugleich überboten und umgewendet. Nicht allein, daß Gott – wir bedachten es schon – selbst auf eine Ebene mit uns, daß er ins Spielfeld unserer Spiele tritt. Er schenkt uns und sendet uns, daß wir mit ihm, hineingenommen in ihn, an seiner Stelle das Spiel seiner Liebe in der Geschichte weiterspielen. Mehr noch: daß wir sein dreifaltiges Spiel bezeugen, schon gegenwärtig setzen, wo wir eins sind in seinem Namen.