Musik als Liturgie – Liturgie als Musik

Musik als Konsonanz von Gabe und Können

Eine letzte – und die im Grund doch erste – Konsonanz, die sich in der Musik ereignet, haben wir noch nicht genannt: die Konsonanz von Inspiration und Produktion, von Gabe und Können. Einfall und Handwerkliches, über den Gestaltenden und Entwerfenden kommende, sich schenkende Idee und die Gediegenheit der geübten, erworbenen Kunst spielen bei musikalischer Musik ineinander. Das Erstaunliche: Bei großer Musik scheint ebenso alles Können wie alles Gabe. Dieselbe Musik, die ganze Musik kommt, wie sie daher kommt, aus zwei Ursprüngen zugleich. Darin freilich dürfen wir den Reflex eines Ursprünglichsten, des schlechthin Konstitutiven von Musik erkennen: Sie ist ganz gestaltender Ausdruck des Menschen und ganz Wiedergabe, Gehorsam, Vernehmen. Nur deshalb kann das Herz sich übersteigen in jenes hinein, was sein Wort nicht mehr auszudrücken vermag, weil sich ihm jenes zugesprochen hat, was kein Wort faßt und was so sehr mehr und so sehr ganz ist, daß es den Menschen über das Wort hinaus und unter das Wort hinab in Mitklingen mit der Schöpfung und mit den Menschen und mit Vergangenheit und Zukunft führt. Was haben wir getan? Wir haben Musik durch eine Sequenz von Zusammenklängen zu beschreiben versucht. Und in der Tat, es sind genau jene Zusammenklänge, die auch die Liturgie konstituieren. Liturgie ist mehr als nur ein rational stimmiges, mehr als ein bloß inneres und individuelles Gebet. Sie ist Gestaltwerdung dessen, was das bloße Wort nicht mehr fassen kann, und ihre Gestalt ist nicht nur eine theologisch und katechetisch zutreffende Fassung [19] des Glaubensinhaltes. Sie ist der Aufbruch des Menschen ins Ganze, über sich hinaus, zu dem, was unendlich größer ist als er – und deshalb gerade auch seine Leibhaftigkeit, seine ganze Existenz und alle seine Möglichkeiten in Anspruch nimmt. Liturgie ist menschliches Tun, in dem aber der Sinn der Schöpfung, ihre verborgene Anbetung vollbracht wird und zum Klingen kommt. Liturgie ist der Zusammenklang von Ich und Du im übergreifenden Wir, Gestalt des Wir im einen Glauben an den einen Herrn und sein eines Heil. Sie ist Ereignis, ist „jetzt“, aber sie ist es in Treue zum Ursprung, als seine erinnernde Vergegenwärtigung und als die Vor-wegnahme und anfanghafte Ankunft des Kommenden. Sie ist Vollzug und Tat des Menschen, seiner Freiheit. Und sie ist zugleich und zuerst Geschenk dessen, was der Mensch nicht aus sich selbst vermag. Musik ist also: Liturgie.