Musik als Liturgie – Liturgie als Musik

Musik als Konsonanz von Mensch und Musik

Zusammenspiel des Menschen mit dem, was größer ist als er – Zusammenspiel der Tendenzen und Vermögen nach oben und nach unten, nach innen und nach außen im Menschen selbst – Zusammenspiel des Menschen mit der Schöpfung in ihm und um ihn: Die Dimensionen von Musik weisen noch weiter. Musik ist zumal Zusammenspiel von Menschen. Bislang haben wir vom Menschen nur im Singular gesprochen. Aber eigentlich ist Musik nie nur singularisch. Sicher, ich kann auch für mich allein Musik machen. Aber wenn ich's tue, dann bin ich zumindest zweimal da: als der Ton Gebende und Ton Angebende und als der Hörende. Sich zuhören müssen, kann manch einem zur Qual werden. Keinen anderen Hörer haben als sich nicht weniger. Und schließlich fängt man nachts dann zu singen an, wenn man allein einen Weg [18] geht und sich zu fürchten beginnt. Sei wenigstens du selbst mit dir, sing dir Mut zu, hör dir zu, damit du weißt: so klein bin ich nicht! Das „Normale“ ist dies: Musik geht auf Hören hin, auf den Hörer hin. Sie ist Konsonanz zwischen dem, was ich ihm zuspiele, und dem, was er in seiner eigenen Existenz, in seinem hörenden Dasein mitspielt, was von mir aus die Erfüllung und der Vollzug seines eigenen Daseins wird. Singen ist zum schweigenden oder verlautenden Mitsingen da. Es ist nur ein kleiner Schritt vom inspirierenden Zuhören zum inspirierten Mitspiel. Wenn der Philosoph Karol Wojtyla den Schritt von Ich und Du zum Wir am Zusammenklang von Ich und Du im übergreifenden und doch mich und dich erfüllenden gemeinsamen Guten aufdeckt1, dann werden diese Verhältnisse besonders deutlich in der Gemeinschaft des Musizierens: Musik, ganz von jedem Spieler ausgehend, ganz so, daß jeder sich im Ganzen findet, und doch so, daß alle Spieler im Eigenen auf das je Größere, Gemeinsame hören und es vollbringen. In der Tat, diese Verschränkung ist Sinnbild für die Gestalt von Gemeinschaft, die der heutige Papst in seinem anthropologischen Konzept entwirft.


  1. vgl. Wojtyla, Karol: Person: Subjekt und Gemeinschaft, in: Wojtyla, Karol/Szostek, Andrzej/Styczen, Tadeusz, Der Streit um den Menschen, Kevelaer 1979, 48-55. ↩︎