Musik als Liturgie – Liturgie als Musik
Musik als Konsonanz von Musik und Schöpfung
Das Ineinander von Descensus und Ascensus, von sich depotenzierender und sich transzendierender Rationalität spiegelt sich – spiegelverkehrt – im Vollzug, ja in der Faktur, in der Methode von Musik. Der entbindende Impuls: Weil das Herz und seine Vernunft sich über die Grenzen der Vernunft hinaus öffnen und geben und äußern will, läßt es sich unter das Wortzeichen in die Dominanz der Stimmlichkeit und Sprachlichkeit hinein. Aber – und dies ist die spiegelverkehrte Konsequenz in der Methodik – Musik, selbst der ergriffene, ekstatische Jubel, „gestaltet“ das Medium von Klang und Stimme, zwingt sein Material in den Entwurf, in seine Synthese, in seine – es ist dasselbe Wort – Komposition. Musik ist Rationalisierung von Unmittelbarkeit, indem sie über das bloß Rationale hinausschreitet. Das Größere und der Mensch, das Vermögen des Menschen über alle Ratio hinaus und die Kraft seiner Ratio, sich in die Sinnlichkeit zu entäußern und darin die Sinnlichkeit zu gestalten, klingen in der Musik ineinander.
Dann aber klingen in der Musik ineinander: Mensch und Schöpfung. Natürlich ist der Mensch selbst ein Stück Schöpfung. In ihr stehend aber, steht er ihr zugleich gegenüber. Daß Schöpfung nicht nur vorhanden ist und nicht nur Effekte zu ihrer Erhaltung, ihrer Restitution, ihrem Wachstum erzielt, sondern daß Schöpfung selber „erklingt“, kommt im Menschen zu sich, wird im Menschen vollbracht. Aber indem er dies vollbringt, indem er das Wort der Schöpfung birgt und entbirgt und das zugleich birgt und entbirgt, was mehr ist als bloß sagbares Wort, beansprucht er Schöpfung. Der Mensch braucht zumindest seine eigene Stimme, ihren Naturklang, und er beansprucht auf vielfältige Weise die Möglichkeiten der Natur, indem er sie nutzt und nachahmt und transformiert, auf daß sie ihm ihren Klang leihe für seine Musik. Der Mensch gibt der Stimme der Schöpfung sein Wort, er läßt zugleich mit seiner Stimme das in der Schöpfung geborgene Wort erklingen. Damit es aber erklinge leiht er sich seine eigene Stimme bei den Möglichkeiten der Schöpfung aus. Melodie, Rhythmus und Harmonie, die Konstituentien von Musik, sind von der Schöpfung dem Menschen zugespielt, indem er zugleich darin sich selber ausdrückt und ausspielt.