Thesen zu einer trinitarischen Ontologie
Neue Ontologie als theologisches und philosophisches Postulat
- Die Frage nach einer neuen Ontologie
Ontologie, Lehre vom Seienden und vom Sein, ist zusehends aus der Mitte des wissenschaftlichen Interesses gerückt. Ontologie kann nur dort interessieren, wo die Frage als sinnvoll gilt: Was ist das Sein, was ist das Seiende von sich selber her? Diese Fragestellung ist bereits von mehreren Schüben der Entwicklung überlagert, verdrängt. Die Feststellbarkeit von Fakten und ihre Erklärung durch zwingende Naturgesetze oder durch erweisbare historische Zusammenhänge standen im Brennpunkt einer „klassischen“ Wissenschaft. Solch „klassische“ Wissenschaft, im allgemeinen Bewußtsein noch weithin mächtig, wird mehr und mehr abgelöst von einer funktionalen Denk- und Betrachtungsweise. Nicht so sehr die Fakten in sich als vielmehr ihre Wirkweise, ihr Bezug auf Bedürfnisse und die praktischen Konsequenzen bestimmen ein neo- und nachpositivistisches, ein neo- und nachmarxistisches Denken. Was Sein und Seiendes von sich her seien, das fragt – für derlei Positionen – nach zuwenig; denn es fragt nach etwas, das vermeintlich nicht bis ins Leben, nicht bis in die [10] Praxis hineinreicht. Es fragt wiederum auch nach zuviel; denn es fragt nach dem, was die Möglichkeiten des Konstatierens, Erklärens und Gebrauchens übersteigt. Ontologie wird müßig, l'art pour l'art.
Dies hat auch Rückwirkungen auf die Theologie. Ist das Neue Testament nicht durch die Dogmen und die Theologie der Konzilien bereits von griechischer Metaphysik überfremdet? Ist also nicht die Ontologie das Unheil der Theologie geworden? So hört man allenthalben. Historisch und systematisch drängt man zur vormetaphysischen, vorontologischen Schicht der Ursprünge zurück. Die metaphysisch verfaßten Aussagen der Trinitätslehre und der Christologie sagen angeblich zuviel: sie scheinen nicht gedeckt durch den historischen Befund, sie scheinen nicht mehr übersetzbar ins heutige Verständnis. Sie sagen angeblich auch zuwenig: ihre „Objektivität“ antwortet nicht den Nöten und Fragen des Menschen. Man will also zurück hinter die Ontologie. Und man will zugleich hinaus über die Ontologie: Theologie soll praktisch, funktional, anthropologisch werden.
Und doch heißt die These: Wir brauchen eine Ontologie. Dieses Postulat ist theologisch und philosophisch gemeint.
Wir brauchen eine Ontologie um der Theologie willen.
Dies wird deutlich, wenn wir die Positionen einer Theologie durchprobieren, die auf Ontologie verzichtet.
[11] Da stände zunächst eine Theologie, welche Fakten und Motive des Christlichen konstatierte und mit Fakten und Motiven der Religions- und Geistesgeschichte erklärend, vergleichend, differenzierend in Beziehung brächte. Bliebe das alles, so höben die Theologie und die Offenbarung selbst sich nicht mehr von Religions- und Geistesgeschichte ab. Denn wie sollten wir artikulieren können, wo das Eine und Eigene der Offenbarung läge, jenes, was sie von sich her ist? Bloße Historie bezieht das Christliche bestenfalls auf einen Rahmen, der ihm äußerlich bliebe.
Andere Möglichkeiten: Theologie beschränkt sich darauf, das Eigene der Offenbarung nur im Blick auf die Nöte und Bedürfnisse des Menschen zu sagen, Offenbarung nur von der mitgebrachten Frage des Menschen her zu verstehen. Ontologie würde hier schlechterdings mit Anthropologie gleichgesetzt; die Frage, was Gott und sein Wort von sich her seien und sagten, fiele wiederum weg. So aber liefe die Antwort des Christlichen Gefahr, nur Resultat der menschlichen Frage zu sein.
Nochmals aber gewendet: Theologie läßt das auf sich beruhen, was Gott von sich her ist, sagt und schenkt. Sie kümmert sich nur um die menschliche Antwort, wird zur ethischen Handlungsanweisung. Löste sich so aber nicht die Gabe Gottes, die Gabe des Gottes, der sich selber gibt, in seinen bloßen Anspruch hinein auf?
[12] Schließlich könnte Theologie auf den Gedanken kommen – und sie kommt auf diesen Gedanken –, die Entzogenheit Gottes, seine Andersheit, seine Transzendenz so absolut zu setzen, daß alle Aussage, auch alle Selbstaussage nur noch Verweis, in keiner Weise aber mehr Vorweis wäre. Glaube beschränkte sich auf Glaubenszeugnis, fides quae ginge unter in der fides qua. Der Impuls, Gott unbedingt Gott sein zu lassen, schlüge hierbei gerade um ins Gegenteil: Gott würde nur zum Fluchtpunkt, im Grunde ohnmächtig des Menschen und der Welt. Seine Transzendenz hätte nicht mehr die Kraft, unsere Immanenz zu erreichen.
Theologisch ist also gerade Ontologie – Sichtbarkeit und Aussagbarkeit des Sinnes von Sein – die Voraussetzung, damit das aufgehen kann, was Gott selbst von sich her, aus seiner eigenen Ursprünglichkeit her sagen, geben und sein will.
Aber auch um der Philosophie willen brauchen wir Ontologie. Wenn sich Philosophie auf Wissenschaftslehre, auf Logik oder auf pragmatischen Entwurf für personales oder gesellschaftliches Verhalten glaubt beschränken zu müssen, so hat sie die Pflicht, dafür ihre Gründe offenzulegen. Diese Gründe aber reichen unausweichlich ins Ontologische hinein. Auch wer sagt, die Frage nach dem Sein sei unsinnig, hat einen Vorentscheid über den Sinn von Sein getroffen. Nur die Reflexion auf die tragenden Vorentscheide aber [13] kann dem Anspruch einer kritischen Vernunft gerecht werden. Allein jene Philosophie reflektiert sich selbst, die ihr Seinsverständnis erhebt und sich eingesteht.
Jene Ontologie, die in der Theologie mitgesetzt werden muß, damit sie Theologie bleibt, und die in der Philosophie offengelegt werden muß, damit sie Philosophie bleibt, ist freilich mehr als ein philosophischer Traktat. Sie fragt vielmehr nach dem Sinn von Sein, nach jener Grundentscheidung, die nicht nur der Mensch trifft, sondern die darin getroffen ist, daß überhaupt etwas ist und nicht nichts, nach jenem Licht, in dem all unser Sehen und Sagen geschieht. Die Ontologie, die heute fällig wird, ist eine radikale, eine fundamentale Ontologie.
- Das Feld der Antwort: Wechselbeziehung zwischen Philosophie und Theologie
Philosophie und Theologie tun sich also heute gleichermaßen schwer mit der Ontologie.
In ihrer Geschichte hat die Theologie oftmals, ja im Grunde immer auf ontologische Vorentscheide und Vorverständnisse des zeitgeschichtlichen oder tradierten Denkens zurückgegriffen, um ihr Eigenes zu formulieren. Griechische Philosophie ist nicht nur das Medium, in welchem sich die Grunddogmen ver-[14]faßten; die ganze Denk- und Ausdrucksweise der patristischen Literatur verrät mannigfache platonische, aristotelische, stoische Unterströme. Die prägende Kraft des neu rezipierten Aristotelismus in der Hochscholastik wurde für die Theologie bis heute bestimmend, sosehr auch der Nominalismus, der Rationalismus, der Nachidealismus bei den „Scholastikern“ des 16. bis 19. Jahrhunderts Spuren hinterließen.
Freilich hat die Theologie auch umgekehrt, ihr Eigenes einbringend, ontologische Fragestellungen und Begrifflichkeiten herausgefordert, weitergetrieben, über ihr mitgebrachtes Maß hinausgebracht. Die Antworten von Nicäa und Chalcedon etwa sind eben nicht nur Anwendung, sondern auch Umgestaltung griechischer Philosophie.
In der Wechselbeziehung zwischen Philosophie und Theologie liegt vielleicht auch heute eine Chance für den Neugewinn der Ontologie, und dies wäre wiederum für Theologie und Philosophie zugleich bedeutsam.
- Zugang: Gotteswort im Menschenwort
Setzen wir zunächst bei einer Aussage an, die noch einmal philosophisch und theologisch ist: Wenn Gott sich dem Menschen offenbart, wenn Gott ihm ein göttliches Wort sagt, so geschieht das im menschlichen Wort.
[15] Philosophisch ist diese Aussage; denn sie stellt Bedingungen vom menschlichen Denken her auf, unter die auch die philosophisch unverfügbare, unerstellbare und unbeweisbare Hypothese eines sich offenbarenden Gottes tritt. Daß nämlich Gott nicht anders zum Menschen sprechen kann als in Worten, die der Mensch versteht, die also Menschenworte sind, ist am menschlichen Denken abzulesen. Und menschliches Denken weiß, daß Gott – wenn er sich offenbart – diese Notwendigkeit menschlichen Denkens nicht überspringen kann. Es gibt also transzendentale Bedingungen, die im Denken hell und die ein Vorgriff des Denkens auch auf den (oder das) sind, der (oder das) per definitionem dem Denken und seinen Bedingungen überlegen und entzogen ist.
Aus diesem Sachverhalt hat Philosophie unterschiedliche Konsequenzen gezogen.
Entweder sie schließt, daß menschliches Denken auch einer Offenbarung Gottes und einem sich offenbarenden Gott übergeordnet sei; wenn sie diese Überordnung nicht nochmals weiter reflektiert, sondern sie als Letztes stehenläßt, kommt sie in äußerster Konsequenz zur Ablehnung eines Gottes, der sich offenbaren kann.
Oder aber umgekehrt befragt sich Philosophie selbst, was ihr transzendentaler Anspruch bedeute. Sie denkt darüber nach, daß die Vorordnung des Denkens vor einen sich offenbarenden Gott und die Vor-[16]ordnung eines Gottes, der sich offenbart, über das Denken je anderer Art seien, daß es also ein philosophisches Apriori für Theologie und ein theologisches für Philosophie in je anderem Sinn gebe. Gerade in solchem Nachdenken aber wird das Denken erst wahrhaft „transzendental“, will sagen: es wird so weit, daß es auch Raum hat für das, was über das Denken hinaus- und doch als solches in das Denken hineingeht.
Theologisch ist die Aussage, daß Gott, wenn er sein Wort sagt, es im Menschenwort sagt. Denn daß Gott sein Eigenes einem Verständnishorizont ausliefert, der vom Eigenen eines Anderen, von den Möglichkeiten des Anderen – eben des Menschen – vorbestimmt ist, daß Gott, der vor allem kommt, mit seinem Wort einem anderen nachkommt: dies ist eine Aussage von eminenter Tragweite über Gott selbst.
- Geschick des Gotteswortes im Menschenwort – Geschick des Menschenwortes im Gotteswort
Bleiben wir bei der theologischen Reflexion des Satzes: Gott sagt sein göttliches Wort in ein Menschenwort hinein, so sehr, dass sein Eigenes, das Göttliche, nur im Menschenwort erreichbar ist. In diesem Wort sind Menschliches und Göttliches nicht mehr auseinander-[17]zulegen; denn wie sollten wir das Göttliche in diesem Wort anders fassen als wiederum in menschlichen Worten?
Das Verhältnis zwischen Gotteswort und Menschenwort im Offenbarungswort ist aber ein mehrfaches. Das ergehende Wort Gottes tritt unter die Voraussetzungen eines vorgegebenen Menschenwortes. Knüpfte das Wort Gottes nicht bei einem Menschenwort an, das es schon gibt, so sagte es dem Menschen nichts. Darin aber wird das Menschenwort nachträglich von dem Wort beansprucht, dem es sich allererst verdankt; das dem Gotteswort vorgehende Menschenwort ist ontologisch nachträglich zu dem Wort, das den Menschen als Sprachwesen und das somit die Möglichkeit von Sprache stiftet. Das von der Offenbarung beanspruchte menschliche Wort wird also zu sich selbst, zu seinem Ursprung heimgebracht und über sich hinaus gesteigert.
Zugleich „steigert“ sich auch Gottes Wort über sich selbst hinaus, indem es sich herabläßt, indem es Wort im Menschenwort, Wort unter Menschenworten wird. Gottes Wort ist von sich selber her Mächtigkeit, Anderes sein zu lassen. Indem dieses Wort jedoch unter die Bedingungen seines Anderen tritt, sich ins Menschenwort entäußert, nimmt es die Gestalt der Ohnmacht an: es wird mißverständlich und mißbrauchbar. In dieser Ohnmacht aber gewinnt es etwas hinzu: es wird Wirklichkeit im Medium sei-[18]nes Anderen, ja es wird Wirklichkeit seines Anderen. Gerade in diesem Vorgang, der zugleich Entäußerung und Steigerung bedeutet, geschieht Offenbarung.
Diese Verhältnisbestimmung ist nicht Zusatz zum Inhalt der Offenbarung, sondern ist bereits Inhalt. Gott ist Identität mit sich im Hinausgehen über sich, in der Weggabe von sich. Somit geschieht dem Wort Gottes in der Offenbarung umgekehrt dasselbe wie dem Menschenwort: Selbsteinholung, Selbstentäußerung und Selbstüberbietung.
- Das doppelte Apriori der Theologie
Jedes Offenbarungswort und jede Theologie durchlaufen eine doppelte, gegenwendige Bewegung: Gottes Wort tritt unter menschliche Verstehensbedingungen; menschliches Selbstverständnis ist also Voraussetzung, Vorgabe und Vor-urteil, um Gottes Wort zur Gegebenheit zu bringen. Doch ebenso hat menschliches Sprechen und Verstehen sich loszulassen in das, was es aus sich nicht vermag, in das, was ihm Voraussetzung und Erfüllung ist; es hat Maß zu nehmen an dem, was in seine Möglichkeit eintritt, aber in sie eintritt als das, was sie übersteigt.
In Offenbarung und Theologie waltet so ein doppeltes Apriori: das Apriori des Göttlichen fürs Menschliche und das Apriori des Menschlichen fürs Göttliche.
[19] Aber auch dieses letztere Apriori ist ein göttliches, ein Apriori „von oben“; denn es hat den Grund seiner Möglichkeit in der Herablassung, in der unerfindlichen Freiheit des sich offenbarenden, des sich schenkenden Gottes. Gerade sie wird in der Notwendigkeit eines auch anthropologischen Ansatzes von Offenbarung und Theologie bezeugt, der bloß anthropologische Ansatz von Offenbarung und Theologie ist daher überholt.
- Zwei Grundtypen: übersetzende und bezeugende Theologie
Geschichtlich haben sich verschiedene Typen von Theologie ausgebildet, und es gibt hier zwei legitime Grundstellungen.
In der einen wird das Eigene, Andersartige des Offenbarungswortes von einer menschlich, geschichtlich, philosophisch vorgeprägten Frage- und Verstehensweise her formuliert, auf sie bezogen, in sie eingebracht. Man könnte von übersetzender Theologie sprechen. Vielleicht größtes Beispiel: der „Aristotelismus“ eines Thomas.
In der anderen Grundstellung ver-läßt sich menschliches Denken in den radikalen Anfang Gottes, in seine Offenbarung, und gewinnt aus diesem Ansatz neu die Möglichkeiten menschlichen Denkens und [20] Sprechens: bezeugende und zeugende Theologie. Hierher gehört trotz seines „Platonismus“ und „Augustinismus“ etwa Bonaventura.
Es handelt sich bei beiden Typen nicht um Reduktion der Theologie auf nur eines ihrer beiden Apriori, sondern um einen unterschiedlichen Schwerpunkt, um einen unterschiedlichen Ansatz, von dem aus jeweils das doppelte Apriori ins Spiel kommt.
- Der geschichtliche Beitrag der Theologie zur Ontologie
Das doppelte Apriori der Theologie war mächtig gerade bei der Ausbildung der fundamentalen Dogmen und Theologumena in Christologie und Trinitätslehre.
Man spricht im Blick auf die dogmatisch-theologische Entwicklung der ersten Jahrhunderte nicht ohne Anlaß von einer Hellenisierung des christlichen Denkens, von einem Eintritt des biblischen Kerygmas unter die Vorzeichen griechisch vorgeformter Metaphysik; man weist auf die Differenz zwischen dem Denken und Sprechen der Bibel und dem Denken und Sprechen der spätantiken theologischen Tradition. In der Tat, wäre das Christentum geschichtlich in einen anderen Horizont von Denken, Kultur und Sprache geraten, so hätten sich in der Gestalt seiner Überlieferung und Theologie sicher andere Züge ausgeprägt.
[21] Dennoch muß auch die gegenläufige Bewegung mitgesehen, ja sie muß eher noch höher veranschlagt werden: Aus dem Widerstand des Glaubens gegen eine bloße Subsumtion seiner Botschaft unter griechisch-hellenistisch-metaphysische Denkkategorien wurden neue Möglichkeiten des Sprechens und Begreifens entbunden. Man denke an die Überwindung des Arianismus, der aus einer mittelplatonischen Tradition entwuchs; man denke an die mühsame Herausarbeitung der Grundbegriffe für die Trinitätslehre und Christologie, die in der Philosophie so nicht bereitlagen. Die konkreten Zufälligkeiten der Dogmen- und Theologiegeschichte, ihre außertheologischen und außerphilosophischen Rücksichten und Bedingungen heben die innere Stringenz der theologischen Entwicklung, ihres Ergebnisses nicht auf: Annahme bereitliegender Denkkategorien – kritische und kreative Weiterentwicklung.
- Das geschichtliche Defizit einer christlichen Ontologie
Ohne bereits inhaltlich auf das Proprium des Christlichen und seinen Dialog mit den Denkmustern philosophischer Tradition einzugehen, läßt sich summarisch feststellen: Das Christliche hat die Entwicklung der Philosophie innerhalb und außerhalb der Theologie korrektiv und inspirativ weitergetrieben und [22] hat sich in ihr immer wieder adäquaten Ausdruck verschafft. Die großen Theologen und die großen theologischen Schulen haben das unterscheidend Christliche nicht verraten und nicht unter die Knechtschaft einer sachfremden Ontologie verkauft. Wir können Heideggers Rede von der Seinsvergessenheit in der Philosophiegeschichte nicht konzertieren durch eine Rede von Glaubensvergessenheit in der Theologiegeschichte.
Dennoch muß aber auch die andere Feststellung getroffen werden: Das unterscheidend Christliche hat nicht das Vorverständnis des Sinnes von Sein, hat nicht den Ansatz von Ontologie insgesamt auf Dauer neu bestimmt. Große Versuche eines genuin christlichen Ansatzes wurden in der „Schule“ und im allgemeinen Bewußtsein jedenfalls nicht tragend und nicht ausschlaggebend für die weitere Geschichte des Denkens.
In der Symbiose des Christlichen mit der Ontologie blieb es, fast unbemerkt, bei einem Gaststatus des Christlichen in mannigfachen, von anderswoher geprägten philosophischen Entwürfen und Systemen.
- Veränderte Situation am Ende der Neuzeit
In der gesamten Tradition des Abendlandes gab es im Grunde nie eine uniforme Philosophie. Die Konkurrenz unterschiedlicher Ansätze, Schulen und Modelle blieb aber weithin eine Konkur-[23]renz auf demselben Feld. Heute, am Ende der Neuzeit, drängt sich zumindest die Frage auf, ob es noch dieses eine Feld, ob es noch einen gemeinsamen Boden philosophischen Denkens gebe, auf dem Konkurrenz und somit auch Verständigung möglich sind. Jedenfalls läßt sich klarer bestimmen, welche bislang tragenden Fundamente neuzeitlichen Denkens brüchig geworden sind, als daß sich bereits ein neues Fundament – zudem noch ein gemeinsames – zeigte.
Der Rückblick auf die letzten Jahrhunderte läßt aber auch unübersehbar werden: Das spezifisch Christliche, das als Impuls die Geschichte des Abendlandes so lange und so nachhaltig bestimmte, rückte in immer größere Distanz zum allgemeinen philosophischen Bewußtsein, zu dem, was im Verlauf der Neuzeit aus der philosophischen Tradition der Antike und des Mittelalters geworden ist.
Wie aber soll es weitergehen? Wie kann Theologie noch das Postulat ihres doppelten Apriori einlösen? Rückkehr in die Vorneuzeit, wechselnde Bündnisse mit spät- und nachneuzeitlichen Denkmodellen, Verzicht auf Philosophie in der Theologie sind unmögliche oder zumindest unbefriedigende Alternativen. Könnte sich, bei näherer Analyse dessen, was im Ende der Neuzeit zu Ende geht, einerseits, und bei der Reflexion auf jenes Proprium des Christlichen, das im [24] Denken bislang noch nicht führend, noch nicht epochemachend zum Tragen kam, andererseits, ein neuer Ansatz zeigen? Darauf jedenfalls zielt die Rede von einer trinitarischen Ontologie.