Das Haus des barmherzigen Vaters

Nochmals: Der Dom

Hier können wir einer zweiten Domerfahrung von Reinhold Schneider im „Winter in Wien“ begegnen, einer, die er nicht im Stephansdom machte, sondern draußen in Eisenstadt, an jener merkwürdigen Stelle, die er „das Bergwerk des Glaubens“ nennt, im unterirdischen Kalvarienberg, den die Fürsten von Esterhazy aufgeschichtet haben. Hier entdeckt er seine neue Möglichkeit, in aller Demut und Armseligkeit glauben zu können: in den unterirdischen Krypten und Grüften, in denen das Geheimnis des Sterbenden und Leidenden sein Bild und seinen Ort hat.

Unser Glaube muß mit Christus in diese letzte Entäußerung, Ohnmacht und Abgründigkeit hineinfahren, um von dort aus auferstehen zu können. Nur wenn wir den Mut haben, mit diesem Jesus Christus, der der verschenkte Gott und der [37] angenommene Mensch ist, hineinzugehen in die ganze Wahrheit und Abgründigkeit unseres Lebens, können wir weiterleben und sind Erlöste. Dann aber haben wir also doch ein Haus gefunden, in dem Gott wohnt und auch wir wohnen. Dieses Haus ist nicht ein Es, sondern ein Er: der „Redemptor Hominis“. In diesem Haus Gottes, in diesem Tempel – er sagt selber von sich: „Reißt diesen Tempel ein, ich werde ihn in drei Tagen wieder aufbauen“ – in diesem lebendigen Tempel des menschgewordenen Sohnes Gottes finden wir unser Haus. Wir können wohnen in seinem Herzen, in seinem Wort, in seiner Liebe. Wir finden in diesem, unserem Haus Gott selbst. So können wir uns dasselbe noch einmal mit anderem Klang und anderem Ton sagen, was wir eingangs hörten: über jeder Grenze, über jedem Strom steht ein Haus, sein Haus und mein Haus. Über dem Tod steht er. Wir erwarten uns in ihm, und Gott erwartet uns in ihm. Über jeder Schuld steht er. Er erwartet uns, birgt uns ans Herz Gottes, und wir dürfen neu wir selber sein. In jedem Du lebt er, der dich erlöst und geliebt hat bis zum letzten, und lebe wirklich ich, der ich dein Bruder bin in seinem Blut. Er ist das „gemeinsame Gut“, und wir können eigentlich nur eines tun: miteinander leben, so daß immer er in unserer Mitte ist.

[38] Dann ist der Dom da. Der Dom am anderen Ufer, der Dom an unserem Ufer, der Dom als die Brücke, die uns zu Gott, zueinander und zu uns selber führt. Und dann fängt schon jetzt jener Dom an, der kein Dom mehr ist, sondern Neue Stadt, die wir selber sind, Stadt, in der es keinen Tempel und kein Licht mehr gibt; denn Gott der Herr und das Lamm ist ihre Leuchte, und Gott selber und das Lamm ist der Tempel. In diesem Dom wohnt Gott, in ihm wohnen wir. Bleiben wir in ihm zusammen!