Wie im Himmel so auf Erden

Nochmals: Die Frage nach dem Himmel

So deutlich wir erkennen: Erde geht nicht ohne Himmel, Himmel ist nicht veraltet, so gilt es dennoch, ein weiteres Mal zurückzukehren zur Frage, was denn der Himmel sei. Nur ein geschaffener Ort? Nur jene Dimension der Wirklichkeit, die uns, unserem Zugriff entzogen ist?

Wir wissen, daß an der Stelle des Wortes „Reich Gottes“ im Matthäusevangelium regelmäßig steht: „Himmelreich“, „Königreich der Himmel“. Dieses Wort ist aus der Ehrfurcht Israels vor dem Aussprechen des Namens Gottes geboren. Aber daß im Sinn des biblischen Glaubens Himmel auch ein Name für Gon selber ist, hat einen noch tieferen Hintergrund. Wenn Gott Gott ist, dann hat er seinen Ort: in sich. Er ist sich selber Himmel. Aber - und gerade dies ist das Neue christlicher Gottesbotschaft - er ist nicht Himmel [91] im Sinne eines einsamen Sich-Genügens. Er ist Himmel für sich, indem er Liebe ist, Liebe, die sich vollendet im Geheimnis dreifaltiger Gemeinschaft. Ich in dir und du in mir: dies ist johanneisch das Grundwort des Verhältnisses des Sohnes zum Vater. Der Vater im Sohn und der Sohn im Vater im einen Geist, solche „Perichorese“, solche gegenseitige Durchdringung ist es, worauf wir im Grunde angelegt sind. Der gemachte und vermochte Himmel des Adam, der Himmel der Selbstmächtigkeit ist zutiefst deshalb nicht der Wahre Himmel, weil er das Eigenste und Innerste Gottes, der Liebe, der Gemeinschaft, der gegenseitiges Sich-Schenken ist, verfehlt.

So stoßen wir von hier aus noch einmal in ein „Wie-Wort“ der Bibel vor, in ihr kühnstes. Jesus bittet an der Schwelle zu seinem Leiden: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir.“ (Joh 17,12) Und er erweitert: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast; denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir.“ (Joh 17,21–23a) Der Himmel ist unser Innesein in der dreifaltigen Einheit, und es ist der Sinn dieser Erde, daß sie zu jener Einheit findet, wie Vater und Sohn eins sind.

Wo solches Einsseins das Warum, Wozu und Wie unseres Lebens, unserer Gemeinschaft, unserer Gestaltung von Kirche und Welt werden, da spannt sich über einswerdender Erde ein einswerdender Himmel; da erfüllt sich das Leitwort und Zielwort, das Ihnen für den Berliner Katholikentag 1990 vorgeschlagen sei: Wie im Himmel so auf Erden.