Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und die Diözesen

Partnerschaft im Gespräch

Wer sind nun die Kräfte, die sich im Zentralkomitee zur Zusammenarbeit, zum Gespräch auf so verschiedenen Ebenen treffen? Wie stimmt seine faktische Zusammensetzung mit der Forderung überein, daß hier die Vielfalt der Impulse und Äußerungen kirchlichen Lebens in unserem Land, daß die lokalen und funktionalen Strukturen ihre „mittlere Einheit“, ihren freien und zugleich effizienten Zusammenschluß finden sollen?

Das Statut spricht, wie bereits zitiert, von den „Diözesanräten der Katholiken“, von den „zentralen katholischen Organisationen“, von „im Laienapostolat tätigen Einrichtungen der Deutschen Bischofskonferenz“ und von sonstigen „Personen, Gruppen und Einrichtungen“, die dem Laienapostolat verbunden und von überdiözesaner Bedeutung sind (vgl. § 1).

[119] Drei grundsätzliche kritische Fragen werden aus verschiedener Richtung an ein solches Konzept erhoben.

Man fragt einmal, ob es sinnvoll sei, die Verbände („zentrale katholische Organisationen“) eigens im Zentralkomitee vertreten sein zu lassen, da sie doch ihrerseits auch in den Diözesanräten und also durch sie im Zentralkomitee vertreten seien. Es ist indessen schon jetzt und erst recht im Zuge mancher Entwicklung in einzelnen Bistümern die Frage, in welchem Sinn und Ausmaß eine solche Vertretung der Verbände in den Diözesanräten stattfinde. Sicherlich gibt es aber für die katholischen Verbände im Ganzen und Grundsätzlichen Dimensionen ihrer Arbeit im gesellschaftlichen und kirchlichen Bereich, die sich weder in der jeweiligen innerdiözesanen Funktion des Diözesanrates noch innerhalb der einzelnen Bistümer überhaupt erschöpfen. Man könnte also sagen: Die Diözesanräte „begegnen“ der Gesamtsituation aller Diözesen überhaupt nicht, wenn sie „unter sich“ bleiben, ohne die übergreifenden funktionalen Strukturen der Verbände, die z. B. bei der Welt der Arbeit, der Wirtschaft, der Schule, bei der Jugend, bei Problemen des Landes, der Studenten und Akademiker unmittelbar und mit dem Blick über das einzelne Bistum hinaus ansetzen. Bloße theoretische Analyse der jeweiligen Bereiche, „wissenschaftliches“ Einbringen ihrer Probleme reicht nicht aus; die Verbände sind ihre gesellschaftlichen Übersetzungen in kirchliches Leben. Die Anforderungen zu Um- und Neuorientierung, die darin an die Verbände selbst gestellt sind, können freilich nicht übersehen werden.

Eine zweite Frage ergibt sich aus der ersten: Genügen die Verbände allein, um die Konfrontation der lokalen Strukturen (Bistümer, Diözesanräte) mit den funktionalen (Bereiche der Gesellschaft) zu gewährleisten? Trotz des Angeführten: nein. Es ist daher der Vollversammlung des Zentralkomitees möglich, sich selbst durch Zuwahl (bis zu einem Fünftel der Zahl ihrer sonstigen Mitglieder) zu ergänzen (vgl. Statut § 3 e). Hierbei sollen gerade jene Bereiche kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens, die faktisch durch Diözesanräte und Verbände nicht erfaßt sind, in Gespräch und Arbeit des Zentralkomitees einbezogen werden.

Mitunter wird freilich eine der ersten Frage entgegengesetzte ans Zentralkomitee gerichtet: Warum genügt nicht eine Arbeitsgemeinschaft der Verbände, allenfalls vervollständigt durch unter ergänzenden Gesichtspunkten Hinzugewählte, als Zentralkomitee?

Diese Frage kommt nicht bloß oder sogar nicht zuerst aus dem Blickwinkel von Verbands Vertretern. Eine andere Überlegung steht hinter [ 120] ihr: Diözesanräte der Katholiken werden dabei als diözesane „Seelsorgeräte“ verstanden, bzw. wird ihre Zukunft und Weiterentwicklung darin erblickt, daß ihnen die Rolle eines synodalen Gremiums zuwächst, das mit dem Bischof an der Spitze die Aufgaben des kirchlichen Leitungsamtes fürs Bistum wahrnimmt. Damit wird eine Konzentration auf die spezifisch pastorale Thematik verbunden. Die Verbände und auf ihnen aufbauende Strukturen sollen dann die gesellschaftlichen Aktivitäten übernehmen.

Die vorgelegten Gedanken zur strukurellen Situation der Kirche in unserem Lande setzen hinter eine solche Konzeption freilich mehr als nur ein Fragezeichen. Eine Beschränkung der von der Gemeinde her aufgebauten Strukturen kirchlicher Mitverantwortung aufs Innerkirchliche, eine pure Zweiteilung: hie Kirche, hie Gesellschaft, und anderseits eine Vermengung von synodaler Mitverantwortung aller mit dem kirchlichen Amt und unmittelbarem Zusammenspiel der Kräfte und Initiativen kirchlichen Lebens in eigener, aufs Amt dialogisch bezogener Verantwortung wären gleichermaßen kurzschlüssig. Ist so der im Statut des Zentralkomitees eingeschlagene Weg nicht doch im Ansatz der gemäßere, umfassendere: eine Gemeinschaft lokaler und funktionaler Strukturen und Initiativen, wobei sich beide an jenen Fragen und Aufgaben zugleich orientieren, die Kirche und Gesellschaft heute stellt, mag der Schwerpunkt auch verschieden sein? Anders gewendet: ein Dialog, in dem diözesane Räte und zentrale Organisationen, aber auch nicht in Verbänden verfaßte Impulse und Gesichtspunkte einander ergänzen, in Frage stellen, unterstützen? Kann anders überhaupt die gemeinsame Situation des Ganzen umgreifend gesehen und bestanden werden, die weder Ergebnis aus der Addition der Diözesen noch aus jener der Verbände ist?

Hierbei müssen durchaus die verschiedenen Funktionen als solche gewahrt werden. Es geht um die unverkürzte Möglichkeit eigener Initiative, die weder mit Beauftragung durch das kirchliche Leitungsamt noch mit Auftragserteilung ans kirchliche Leitungsamt abgegolten wäre. Es geht um jenen Raum der Freiheit, in dem ein fruchtbarer Dialog mit dem kirchlichen Leitungsamt leichter und reicher erwächst als in der Bindung des Amtes an die eigenen Vorstellungen oder in der Bindung eigener Vorstellungen an den amtlichen Auftrag. Es geht um die „Zün-dungskraft“ für ein allgemeines und breites Gespräch der öffentlichen Meinung in der Kirche. Es geht freilich auch und keineswegs zuletzt darum, dem Leitungsamt beratend zur Seite zu stehen. Der Aufbau von Strukturen der Mitverantwortung aller mit dem Amt entspricht, wie [121] ausgeführt, der theologischen und geschichtlichen Sachlage. Er setzt beinahe notwendig dort an, baut dort weiter, wo die Dialog- und Arbeitsgemeinschaft steht, als welche das Zentralkomitee konzipiert ist. Dennoch wäre es eben eine fragwürdige Verkürzung, wenn das Zentralkomitee sich nur umorganisierte zu einem nationalen Synodal- und Pastoralrat; es wäre freilich ebenso eine Verkürzung, ginge das Zentralkomitee mit seiner Arbeit, mit seinen Gedanken an der Notwendigkeit vorbei, die, in solche Richtung weisend, wenn auch noch nichts präjudizierend, die Gemeinsame Synode der Bistümer zum Ausdruck bringt.