Personale Hilfe in einer technisierten und rationalisierten Welt

Personale Hilfe in einer technisierten und rationalisierten Welt

[165] Über einer Theorie der Hilfe liegt ein Hauch von Ironie. Helfen ist wichtiger als nachdenken über Hilfe. Doch ist es nicht ein Zeichen unserer Zeit, daß über alles – auch über das Selbstverständlichste – nachgedacht werden muß? Es ist eben nichts mehr selbstverständlich. Der verbindende Boden der Verständigung scheint zwischen uns wegzubrechen. So kann es auch im Fall der Hilfe geschehen, daß einer sich gut und richtig einsetzt – aber was dabei herauskommt, was beim Anderen ankommt, wird nicht als Hilfe verstanden. Die Maßnahmen genügen nicht mehr; es geht um eine neue Maß-Nahme, um ein neues Maß-Nehmen an der Wirklichkeit. Was ist das: Hilfe? Was ist das: Not? Was ist das: der Mensch, nicht der Mensch einer richtigen Definition, sondern der lebendige, gegenwärtige Mensch? Wir müssen diese Fragen wieder anfänglich zu stellen lernen und müssen dabei alle mitgebrachten Gewohnheiten und Vorstellungen auf der Seite lassen. So hat es vielleicht doch einen Sinn, eine einfache, an der Sache selbst orientierte – man könnte sagen: phänomenologische – [166] Besinnung auf das hin zu versuchen, was Hilfe ist. Das erste Gebot dieser Besinnung müßte heißen: Du sollst dir kein geschnitztes Bild machen, um dasselbe anzubeten – weder ein geschnitztes Bild von der Hilfe noch vom Menschen, und wenn dieses Bild aus noch so bewährten Herkömmlichkeiten und noch so richtigen Sätzen christlicher Lehre geschnitzt wäre.

Diesem ersten schließt sich ein zweites Gebot an: Du sollst den Namen – nicht allein den Namen Hilfe, den freilich auch, dazu aber den Namen Gottes selbst und den Namen des Christlichen zumal – nicht vergeblich im Munde führen. Wir sind Christen und machen uns als Christen Gedanken, christliche Gedanken sogar, zur Sache der personalen Hilfe. Christlich wollen diese Gedanken jedoch nicht auf die Weise sein, daß sie mit christlichen Spezialitäten gespickt wären. Im Gegenteil: Das Maß des Christlichen ist Jesus Christus; und sein einmaliges, für alles andere Helfen maßgebendes Helfen geschah in seinem Dasein für alle und mit allen, in der Solidarität mit allen. Er wurde allen gleich, in grenzenloser Brüderlichkeit, im Einstieg in die Situation der Anderen. Alle sind von seinem Helfen gemeint; nicht nur wollte er allen helfen, sondern alle sollen mit ihm, ob sie es wissen oder nicht, mithelfen. Der christliche Gedanke des Helfens ist nicht darauf erpicht, für Christen reserviert zu bleiben; er will von allen geteilt werden können. Christliches Helfen freut sich, wenn es nicht allein helfen kann, sondern in einem weltweiten Verband und Verstand der Hilfe mitinnesteht. Christus ist nicht für die Christen, sondern für die Menschen gekommen, und Christus führt den Menschen zwar über sich hinaus, so aber gerade zu sich selbst; deshalb können auch Christen oft genug das Christliche lernen und finden im Blick aufs scheinbar nur Menschliche, jenseits der eigenen Hürden und Zäune.

Das verwischt nicht den Unterschied des Christlichen. Vielleicht ist dieser jedoch am vornehmsten sichtbar in einer Treue zum Menschen, die sich aus dem bloß Menschlichen nicht mehr erklären läßt. Christliches Helfen wird sich an der Treue Gottes zum Menschen in Jesus ausdrücklich orientieren. Treue und Wahrheit sind übrigens, bedeutsam genug, im Hebräisch der Schrift ein Wort, eine Sache. Wir sind in Gottes Wahrheit, wenn wir in Gottes Treue zum Menschen stehen.

Bereitet durch die beiden Gebote, kein geschnitztes Bild der Hilfe anzubeten und den Namen des Christlichen nicht vergeblich im Munde zu führen, gilt es nun als ein Drittes, den Sabbat der Besinnung zu wagen.