Eine Phänomenologie des Glaubens – Erbe und Auftrag von Bernhard Welte

Phänomenologie des Glaubens – Genitivus subiectivus und obiectivus*

Nun aber die für unseren Kontext entscheidende Frage: Was hat eine solche Phänomenologie des Glaubens aus dem Wort [121] Gottes her zu tun mit dem, was wir von Bernhard Welte her als Weg der Phänomenologie sahen? Erschöpft sich die „Verwandtschaft“ der Wege allein in der gestalthaften Parallelität der Strukturmomente und der von ihnen beschriebenen Kurve? Bleiben Umkehr zu dem, was sich von sich her zeigt, und Umkehr zu dem, der alles neu in seinem neuen Lichte zeigt, unverbunden nebeneinander stehen?

Wir sahen bereits, wie Bernhard Welte in der Konsequenz seines phänomenologischen Weges, ihm treu und zugleich über ihn hinausgehend, den Hinblick wagte auf Jesus Christus als das Heilszeichen, in welchem das je größere und je entzogene Geheimnis Gottes sich uns gewährt und so das Heil gewährt, in welchem der Sinn des Aufgangs dessen, was sich zeigt, gewahrt und vollendet wird.

Nun aber ist uns aufgegangen: Der scheinbare Abbruch, die Umkehrung des Weges der Phänomenologie in die Unmittelbarkeit der Nachfolge, in die Direktheit des Glaubens „auf sein Wort hin“ (vgl. Lk 5,5), mündet in den neuen Auftrag der Zuwendung zu dem, was ist. Wie sollte jener, der sich glaubend auf Gottes Gewähr in Jesus Christus verläßt, anders mit den Dingen, anders mit dem Leben umgehen, anders auf die Dinge und das Leben zugehen als in der Achtsamkeit auf jenes Siehe, das die Dinge von sich selber her sich zeigen und schenken läßt? Phänomenologie gehört nicht nur in die eigenständigen und gerade in ihrem Eigenstand gültigen praeambula fidei, sondern sie ist auch eine Konsequenz und ein Auftrag des Glaubens selbst. Phänomenologie auf Glauben hin und Phänomenologie vom Glauben her sind einander zugewiesen. Und dabei kann die Phänomenologie auf den Glauben hin zum Weg werden, um verantwortet und durchsichtig jene Schritte zu setzen, in denen der Glaube sein eigenes Licht entbirgt und sich selbst dem Licht, das die menschliche Vernunft in sich trägt, aussetzt und bezeugt. Umgekehrt aber entdeckt sich im Glauben die „Phänomenologie auf den Glauben hin“ als bewegt von jenem neuen und doch anfänglichen Anruf, der sich in der „Phänomenologie vom Glauben her“ auslegt. Vielleicht muß Theologie in Zukunft noch mehr Phänomenologie des Glaubens (Genitivus subiectivus und obiectivus) werden, um ungetrennt und unvermischt die Einheit zwischen fides qua und fides quae, aber auch die Verwiesenheit und Entsprechung zwischen dem inneren [122] Licht des Glaubens und dem inneren Licht der Vernunft, in welchem wir zu sehen vermögen, was sich von sich her zeigt, wahrzunehmen. Solchen Auftrags inne, dürfen wir hoffen und sagen, daß unser Andenken an Bernhard Welte und an seine Phänomenologie nicht nur Epilog ist, sondern noch vielmehr Prolog.