Person und Gemeinschaft – eine philosophische und theologische Erwägung

Sechster Schritt: Interpersonalität als Einung und Unterscheidung

Halten wir fest: Person ist die Subsistenz, der seinshafte, konstitutive (nicht notwendigerweise faktisch je realisierte und bewußte) Vollzug (Seinsakt) der Geistnatur; diese Geistnatur aber umspannt (als Natur, als Wesen) das Verhältnis zum Sein, somit aber zu allem und somit zu je sich selbst. Daraus nun folgt: Personen kommen kraft ihrer Geistnatur (wieder in einem konstitutiven, nicht jeweils notwendig vollauf realisierten Sinne) von sich aus [40] überein mit dem, was von sich her ist und, im Ansatz, wie es ist. Damit aber ist in der seinshaften Unterschiedenheit der Personen ihnen zugleich aufgrund ihrer Geistnatur auch der Bezug zum Selben, zum Sein, zum Ganzen, zu jeweils sich selbst zu eigen. Aus diesen Verhältnissen nun läßt sich erschließen, daß sie, zum Selben sich verhaltend, sich auch zueinander verhalten, und zwar so, daß in diesem Verhalten auch die Unterscheidung voneinander präsent und keineswegs nivelliert ist.

Wir haben es hier also mit einer erschlossenen Interpersonalität zu tun. Interpersonalität ist in dieser Betrachtungsweise nicht unmittelbar angeschaut, sondern eben als Konsequenz ermittelt, der freilich in der Begegnung eine unmittelbare Intuition entspricht. Bleiben wir im Feld solcher erschlossener Interpersonalität. Wir nehmen zwei an ihr ablesbare Eigentümlichkeiten in den Blick.

Die erste betrifft die Ebene der Beziehung zwischen Personen. Sofern eine Person sich auf Seiendes bezieht, dem nicht oder sofern ihm nicht ein Geistwesen eignet, ist die Beziehung zwischen der Person und diesem Seienden von seiten der Person und von seiten des Seienden her jeweils fundamental verschieden. Während das Sein des Seienden als solches eingeht in die Beziehung der Person zu diesem Seienden, ist das Sein des Seienden und somit das Sein der Person als Person im Vollzug des Seienden, in seiner Beziehung zur Person nicht gegenwärtig. Wenn hingegen Personen in der Offenbarkeit ihres Personseins einander begegnen, dann tritt die Beziehung der einen zur anderen und der anderen zur einen wechselseitig und gemeinsam ins Licht. Wechselseitig und gemeinsam: Es bleibt nicht bei einer Addition in sich wesensmäßig gleicher, aber einander nicht betreffender Bezüge. Es kommt vielmehr zu einer Einheit, welche die Pole der beiden Bezüge, die Personen und ihre je eigene Beziehung zur anderen nicht ineinander auflöst, sondern sie in einen einzigen lichten Zwischenraum (es geht ums Selbe, es geht ums Ganze, es geht um dich und mich) einfügt; in dieser Einfügung aber wird gerade die Unterscheidbarkeit und Unterscheidung gewährleistet, es wird in diesem lichten Zwischenraum die Pluralität der Bezüge in ihrer Einheit miteinander hell.

Eine zweite Eigentümlichkeit betrifft die Kommunikation der unterschiedenen und in ihrer Unterschiedenheit aufs Selbe bezogenen, im Selben füreinander hellen Personen. Weil die Geistnatur in Personen subsistiert, können sie in einem fundamentalen Sinn miteinander sprechen, sie sind der Namen und [41] Begriffe fähig. Was die Sache in sich bezeichnet, das kann sie für mich und dich bezeichnen, Worte können gemeinsame Worte werden, Sprache, in der dasselbe gegenwärtig ist und mir gleichzeitig die „anderen“ als Partner gegenwärtig sind.

Sprache ist Ausdruck zugleich der Sache, die sich in die Seinsbezogenheit der Personen als sie selbst hineingibt, wie auch Ausdruck der Personen in ihrer Eigenheit und Selbstgehörigkeit. Doch muß dieser Blick auf die ontologische Genese von Sprache aus dem Sein und der Person sich auf einen dritten Pol hin öffnen: Sprechen als je mein Sprechen setzt nicht beim Nullpunkt an, sondern bei der von anderen Personen bereits zugesprochenen und von ihnen mitgesprochenen Sprache. Zwar kann diese Beziehung nicht aus dem Personbegriff abgeleitet werden, sofern dieser bei der natural verstandenen Geistigkeit ansetzt – oder doch? Jedenfalls gehört zur Geistnatur die Fähigkeit, das Sich-Zeigen und somit Sich-Mitteilen dessen, was ist, zu empfangen und mitzuvollziehen. Zum Sein dessen, was ist, gehören aber auch die Sprachlichkeit und sprachliche Geprägtheit der anderen Personen als höchste Weise des Sich-Zeigens und Sich-Mitteilens von Person als Person. Sprachlichkeit ist dem Geistwesen eingeschrieben als Möglichkeit des gegenseitigen Austauschs der Personen über das Sein und im Sein. Eine ontologisch verstandene Sprachgemeinschaft ist der Punkt, an dem beim Ausgang vom klassischen Personbegriff Gemeinschaft als zugehörig zur Personalität in den Blick kommt.

Sprechen heißt im Ansatz: miteinander sprechen, auch dort, wo dieses Sprechen miteinander nicht aktualisiert wird. Die Einheit in der Unterscheidung, die grundsätzliche Freiheit des Sich-Einbringens der Partner, die Bezogenheit aufs Selbe, somit aber Wesensmerkmale von Gemeinschaft, tragen sich der Interpersonalität ein, wenn sie sich auf Sprache hin auslegt.

Mit dieser Bemerkung ist freilich die leitende Eingangsfrage erst in einem recht anfänglichen Sinne beantwortet: Sagt, wer Person sagt, auch Gemeinschaft? Ein weiterer Schritt soll die Einsicht in den Zusammenhang zwischen Person und Gemeinschaft aus einem die Person konstituierenden Grund, aus einem sie ontologisch fundierenden Akt sichtbar machen.