Das Wort für uns

Sich selbst loslassen

Es geht hier nicht darum, aus dieser Sehnsucht unseres Ich einen Beweis dafür zurechtzuzimmern, daß es dieses Du gibt. Aber man darf darauf hinweisen, daß es Zeugnisse, Zeugnisse lebendiger Menschen gibt, die sich auf dieses Du [89] Gottes eingelassen haben und die von diesem Du her mit sich selbst eins und zu allem, zur ganzen Welt, zur Zukunft und zur Menschheit frei geworden sind. Das Zeugnis dieser Zeugnisse ist das Zeugnis des Lebens Jesu selbst.

Sein Leben war Gebet, Du-Sagen zum Vater, bis in den Tod. Es ist Wort, Du-Wort an den Vater. Und dieses Leben ist im Tod nicht zu Ende, sondern im Tod wird sichtbar, daß der Vater zu ihm Du sagt, das unzerstörbare, lebenspendende, auferweckende Du, das ihn uns schenkt als den, durch den unser eigenes Leben zum Gebet zu werden vermag, zum Du-Sagen zu Gott, durch alle Abgründe und Endlichkeiten, durch den Tod hindurch. In ihm können wir das Wort finden, ja selbst Wort werden, das uns hinausträgt über uns selbst. Beten heißt: sein eigenes Sein loslassen, es über sich selbst hinaus und von sich selbst weggeben, in der Gemeinschaft mit dem, der sein Leben für uns an den Vater hingegeben und aus der Hand des Vaters sein Leben für uns, als unser Leben neu empfangen hat.

Wenn wir es so sehen, dann fällt die Sorge darum weg, ob Gebet nur eine Ausflucht sei vor dem Handeln. Wo wären wir freier zu handeln [90] als dort, wo uns nicht mehr die Ohnmacht, wir selbst zu sein, blockiert, sondern wo wir uns geschenkt sind von dem her, der uns das Leben geschenkt hat? Und auch die andere Sorge klärt sich: Bittgebet ist nicht ein Herummanipulieren an einem vorgefertigten Weltplan, sondern eine Weggabe aller Unfreiheiten und Festlegungen, aller Ausweglosigkeiten und allen Unvermögens in den, der aus dem Nichts neues Sein, aus dem Tod Leben, aus dem Ende Anfang schafft. Da darf die totale Verwandlung der Situation dadurch geschehen, daß nur wir selbst die neuen Augen empfangen, da darf aber auch das Unerhörte und Unerdenkliche geschehen, daß um uns herum auf einmal Dinge und Bedingungen neu und anders sind.

Wie das im einzelnen passiert, wird uninteressant. Wichtig ist das eine: Gott sagt so lebendig und so ganz Du zu uns, daß auch wir zu ihm Du zu sagen vermögen, ein Du, das er hört und ernst nimmt, wie nur jemand uns zu hören und ernst zu nehmen vermag. Das eben ist sein Geist in uns, der für uns eintritt und der in uns über alle Faßbarkeit unserer eigenen Vorstellungen und Worte hinaus betet.