Franz von Baaders philosophischer Gedanke der Schöpfung

Spekulation und Dogma

Der Ungemäßheit fassenden Bestimmens ebenso bewußt wie der Notwendigkeit, dem sich mitteilend-eröffnenden, in seiner „Gestalt“ aufgehenden Geheimnis in der Bestimmtheit des eigenen Denkens gerecht zu werden, macht sich Baader an die spekulative Interpretation des göttlichen Selbstgeschehens.

Sie ist bestimmt von der Gestalt, in welcher sich der göttliche Gott als solcher dem denkenden Sein des menschlichen Selbst mitgeteilt hat, das heißt aber für Baader ein Doppeltes: bestimmt vom „Bild“ Gottes, das der Mensch in seiner an sich selbst ablesbaren Gestalt ist, und bestimmt zugleich von der Gestalt, in welcher die Gottesoffenbarung in Jesus Christus sich aus der Geschichte christlichen Glaubens ihm zuspricht, vom „einen Gott in drei Personen“.

Die Anknüpfung der Spekulation beim christlichen Trinitätsdogma, das darin, allerdings auf verschiedene Weise und in verschiedenem Grade der „Aufhebung“ seines Charakters als Dogma, dem Selbstdenken anverwandelt wird, ist in der großen Philosophie des deutschen Idealismus gängig. Da seit Augustin die Selbsterfahrung des Geistes zur Deutung des Mysteriums der Trinität herangezogen wurde, legt sich solches dem von der absoluten Ursprünglichkeit eben des Geistes leidenschaftlich ergriffenen Systemdenken nahe, zumal wenn es sich als Selbstvollzug des absoluten Geistes in die Geschichte hinein versteht. Bei Baader laufen auch hier die Bahnen, aus denen sein einer Gedanke sich selbst zuwächst, zweifach: Einmal teilt er den Impuls der Zeit, den Impuls des sich zum System denkenden Geistes, und er leitet sein eigenes und anderes Denken in etwa dem System selbst wieder zu. Zum anderen aber prägt seine Weise ursprünglich dialogischen Gegenüberseins zum göttlichen Gott auch sein Verhältnis zur christlichen Offenbarung.

Die Situation, aus der er denkt, blickt hin auf „Imperativ“ und „Dativ“1, auf Gott als Herr und als Heil. Konkret ist für Baader in ihr auch die Erfahrung der Unverfüglichkeit des „Dativ“, ja der Entzogenheit eines mehr als abstrakt möglichen Bestehens vor dem „Imperativ“ eingeschlossen2: Gegenwart des Menschen deutet sich als Bestandlosigkeit, Vergangenheit als „Fall“3; der Gedanke wendet sich also hin auf das Kommen von etwas wie Heil in einem neuen Angebot Gottes. Die Idee davon, die „Idee eines Christs“4, begegnet dem Denken zwar in der unmittelbaren Zuwendung zur eigenen Verfaßtheit, begegnet ihm aber gerade als Idee, die sich nicht von selbst, sondern nur von der freien Initiative Gottes her erfüllt. So sind Selbstdenken und christliche Offenbarung bei Baader miteinander innig verschränkt, ist ihm aber gerade an der Verschiedenheit der Ursprünge gelegen, und ist diese wiederum dem Wissen – [101] das aus dem selbst vom Wissen nicht erzwungenen, aber gerufenen Glau­ben folgt – zur Aufhebung, zur unterscheidenden Einung aufgegeben.

Die allgemeine Erwähnung der Gründe, auf denen die faktische Zuwendung der Spekulation Baaders zu einem Datum christlichen Glaubens wie dem Trinitätsdogma aufruht, muß für den Zusammenhang dieser Untersuchung genügen.


  1. Vgl. SpD 1,15 VIII 136; EPh 7 Anm. IV 170; Hegel IX 365. ↩︎

  2. Vgl. Kant I 15. ↩︎

  3. Vgl. etwa RE 10 IV 187; SpD 1,12 VIII 118. ↩︎

  4. Vgl. FC 1,7 II 159 f.; Blitz II 33; Hegel IX 400. ↩︎