Gemeinschaft des Zeugnisses: Wandlungen im kirchlichen Institutionswesen

Spiritualität des Amtes*

Ein letzter, nicht weniger wichtiger Gesichtspunkt, der unter dem Thema „Wandlungen im kirchlichen Institutionswesen“ enthalten ist, schlägt in seinem spirituellen Inhalt den Bogen zurück zu dem, was uns an erster Stelle aufgefallen war, zeigt es aber an auf der „unveränderlichsten“, der strukturell unauflösbaren Ebene: des kirchlichen Amtes selbst. Gewiß kann, was die hierarchische Struktur der Kirche angeht, nicht in dem Sinn von einem Wandel der Institution gesprochen werden, daß Tatsache, Stellenwert und Funktion des geistlichen Amtes im ganzen der Kirche antastbar wären. Das schließt aber nicht aus, daß die „Spiritualität“ des kirchlichen Amtes und von ihr her auch sein Erscheinungsbild neue – oder sind es gerade uralte? – Akzente erhalten hat und zu erhalten weiter im Begriff ist. Zwei Stichworte dürfen hier genügen. Erstens: Die neuen Dokumente des kirchlichen Amtes selbst und ebenso das, was die Theologie über das Amt zu sagen hat, machen viel nachdrücklicher und reflexer auf den Dienstcharakter des kirchlichen Amtes aufmerksam. Die Unveräußerlichkeit der Sendung, die Hoheit des aller Manipulation entzogenen Auftrages am Volk Gottes werden nicht verringert, sondern verschärft, indem die „Stoßrichtung“ solcher Sendung und Hoheit deutlicher aufgeht, [125] die Gemeinschaft mit Sendung und Hoheit des Herrn, der den Jüngern die Füße wusch, der vom Vater gesendet wurde, nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen, der hineingestellt wurde in die demütige Solidarität mit allen und gerade mit den Letzten und Ärmsten. Zweitens: Nicht nur die „Armut“ der Verwiesenheit an jene, für welche die Kirche und in der Kirche der Herr da sein will, sondern auch die „Gemeinschaft“ als die Weise, wie der Geist des Herrn seine Wirksamkeit und Erfahrbarkeit für die Welt vollbringt, spiegeln sich im Selbstverständnis geistlichen Amtes heute: Der Spiritualität des Miteinanderseins in neuen Gruppen und Bewegungen entspricht nicht nur das Miteinandersein von Amtsträgern und Laien in neuen Gremien gemeinsamen Dienstes, sondern auch das Miteinandersein der „Kollegialität“, in welcher das Zweite Vatikanum das Amt der Bischöfe und analog dazu auch die Funktion des Presbyteriums sieht. Die Aussagen der Kirchenkonstitution über die unveräußerliche Zuständigkeit des Ortsbischofs für seinen eigenen Sprengel und zugleich über seine Mitverantwortung mit allen anderen Bischöfen zusammen für die Gesamtkirche, aber auch der von der Aussage des Konzils teils angestoßene, teils begünstigte Aufbruch priesterlicher Lebens- und Dienstformen zur Gemeinsamkeit bezeugen dies eindringlich.1

Sollen die Hinweise auf den Wandel im kirchlichen Institutionswesen, die unser kurzer Umblick ergab, auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden, auf einen Grundzug, der das neue Verständnis der Kirche bezeichnet, das hier durchbricht, so bietet sich wohl am ehesten die Formel an: Gemeinschaft des Zeugnisses. Es geht um einen Dienst für die Welt, der sich zuerst als Zeugnis versteht, [126] und es geht um eine Gestalt des Zeugnisses, die sich zur Gemeinschaft, zum Miteinandersein in der Haltung und in der Liebe Jesu selbst verdichtet.


  1. Vgl. Lumen Gentium 19–23,27,28; Presbyterorum Ordinis 8,17; Christus Dominus 30. ↩︎