Trinität und Kirche

„Strukturelle“ Konsequenzen

CL nimmt, seinem Thema gemäß, vielfältige Verhältnisbestimmungen zwischen Sendungen, Charismen, Berufungen, Ebenen kirchlichen Lebens und pastoralen Handelns vor. Alle diese Verhältnisbestimmungen werden im Dokument gekennzeichnet als gleichzeitige „Verschiedenheit und Komplementarität“. CL 20 führt dieses Prinzip ein und liest es am „organischen“ Charakter kirchlicher Communio ab, der sich im paulinischen Bild vom Leibe Christi mit den vielen Gliedern ausdrückt. Wir lesen an der genannten Stelle: „Das dynamische Prinzip der Verschiedenheit und der Einheit der Kirche und in der Kirche ist immer derselbe Geist.“ Die Geisttheologie des Dokumentes vermittelt denn auch das Strukturprinzip „gleichzeitige Verschiedenheit und Komplementarität“ mit der trinitarischen Grundsicht. Durch den Geist wird die Fülle des göttlichen Lebens der Trinität „übersetzt“ in die Menschwerdung und aus ihr in die Communio zwischen Christus und denen, die sich in ihn einglie- [78] dern. Und die Fülle, die in Christus als dem Haupt wohnt, wird durch denselben Geist wiederum weitergegeben, übersetzt in die Gemeinschaft der in Christus Verbundenen miteinander. Die Mit­teilung der göttlichen Fülle im Geist gibt diese immer in eine Bezie­hung und somit in einen Austausch hinein, in welchem zugleich gegenläufige Richtungen und somit Unterschiede wie auch Einheit, Ergänzung, Ganzheit konstituiert werden.

In der Trinität selbst hängen die absolute Einheit, die absolute Gleichheit und die relationale Verschiedenheit der Personen unlöslich miteinander zusammen, sie haben denselben und einen Grund: Gott selber, der die Liebe ist. In der Gabe und Weitergabe des einen und selben Geistes werden Einheit, Gleichheit und Unterschiedenheit der Personen zugleich offenbar.

Der Unterschied zwischen dem trinitarischen Leben und dem Leben der Kirche liegt auf der Hand: Sie ist geformt aus Menschen, die durch den fundamentalen Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf von Gott unterschieden und verschieden sind, mit all den Konsequenzen, die dies auch für die gegenseitige Unterschiedenheit und Verschiedenheit hat. Doch der Geist, durch den Gott Anteil gibt an seinem göttlichen Leben, wirkt die Analogie, konstituiert das Strukturprinzip: Was die fundamentale und aller Unterschiedenheit vorangehende Gleichheit aller Glieder der Kirche begründet (vgl. CL 17), das konstituiert auch ihre Unterschiedenheit und somit Verschiedenheit, die eine solche des Bezuges zum Ganzen und zueinander ist und in diesem Bezug zueinander und zum Ganzen den je anderen ergänzt, Einheit und Ganzheit aus Verschiedenheit und Gleichheit aufbauend.

Felder, auf denen das Dokument seine Aussagen in diesem Strukturprinzip begründet, sind: das Verhältnis zwischen den Diensten aller Gläubigen, die auf der sakramentalen Grundlage von Taufe und Firmung beruhen, und jenen, die durch das Sakrament des Ordo begründet sind (vgl. CL 22), Verhältnis der unterschiedlichen Charismen zueinander (vgl. CL 24), Verhältnis zwischen Gesamt­kirche und Teilkirchen (vgl. CL 25), zwischen hierarchischem Apostolat und Laienapostolat (vgl. CL 27), Verhältnis zwischen dem Apostolat des je einzelnen und gemeinschaftlichen Formen der Teil­habe am Apostolat der Kirche (vgl. CL 28 f.). Eine analoge Anwen­dung dieses Strukturprinzips entdecken wir auch im vierten Kapitel [79] des Dokumentes, wo Mann und Frau, Generationen, unterschiedliche Lebenssituationen aufeinander und auf das Ganze bezogen werden.