Zwischen Bistum und Gesamtkirche
Strukturen der Partizipation
Die Partizipation der Gläubigen an den Aufgaben des Amtes erfordert unter verschiedenen gesellschaftlichen und geschichtlichen Bedingungen verschiedene Weisen ihrer Realisierung. Heute kann sie nicht ohne feste strukturelle Bahnen wirksam werden. Die Strukturen von Partizipation müssen an drei Gesichtspunkten zugleich orientiert werden: zum einen an der spezifischen Verantwortung des Amtes, die nicht nivelliert werden darf; zum anderen an dem Erfordernis, die Mitwirkung aller zum Zuge zu bringen; schließlich aber auch am Eigenprofil der jeweiligen Aufgaben, die mitgetragen werden sollen.
Was ergibt sich daraus für die Partizipation an den Aufgaben des Amtes im überdiözesanen Bereich?
Zunächst einmal muß festgehalten werden: Das Bistum kann nicht die „Endstation“ der Partizipation an den Aufgaben des Amtes sein, weil ja die Verantwortung des Amtes selbst weiterreicht. Sofern jeder Bischof nicht nur Bischof seines Bistums, sondern Bischof der Weltkirche ist, bedeutet bereits die Mitwirkung mit dem Bischof im Bistum Partizipation an seiner Aufgabe für die Weltkirche; denn auch der Rat, der ihm für diözesane Aufgaben erteilt wird, muß von innen her den Gesichtspunkt der Universalität, muß den Kontext Weltkirche mit im Auge haben. Wenn aber die Bischöfe um ihrer gemeinsamen Verantwortung willen eine Bischofskonferenz bilden, dann bedarf auch diese Weise, ihre Hirtensorge wahrzunehmen, einer geregelten Mitwirkung aller. Solche Mitwirkung hat freilich ihre eigenen Kriterien.
a) Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Voraussetzungen, die eine Regelung der Partizipation im überdiözesanen Bereich berücksichtigen muß.
Die Einwurzelung der Kirche in der Gesellschaft ist, wie schon betont, wesentlicher Ansatzpunkt für die Einrichtung und Arbeit der Bischofskonferenzen. Näher besehen, spielt in alle Aufgaben der Bischofskonferenzen die Verflechtung kirchlichen Lebens mit seinen gesellschaftlichen Bedingungen konstitutiv hinein. Um es an einem scheinbar gegenläufigen Modell zu erläutern: Gäbe es nicht die innere Einheit von Sprach- und Kulturräumen, so wäre eine überdiözesane Regelung der Liturgie wenig sinnvoll. Die sich herausbildende Praxis gesamtkirchlicher Rahmenregelungen, die durch die Bischofskonferenzen zu konkretisieren sind, setzt doch hier an: Aufgrund gleicher gesellschaftlicher Verhältnisse, aufgrund der pastoralen Bedürfnisse und kirchlichen Traditionen, die in einem bestimmten Raum von Gesellschaft [39] gewachsen sind, werden kirchliche Regelungen erforderlich, die für den entsprechenden Raum einheitlich sind, die zugleich aber der Eigenprägung dieses Raumes gegenüber anderen Räumen Rechnung tragen.
Das Angeführte betrifft mehr nur „indirekt“ gesellschaftsbedingte und gesellschaftsrelevante Aufgabenfelder der Bischofskonferenz. Daneben aber gibt es ein breites Feld „direkt“ gesellschaftsbezogener und gesellschaftsrelevanter Aufgabenstellungen. Wo die Kirche eines Landes als solche zu einem geschlossenen Zeugnis des Sprechens und Handelns in der Gesellschaft herausgerufen ist, wo eine gemeinsame Anstrengung aller angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen geboten erscheint, wo es – wie in Fragen des sozialen Dienstes, der Bildung, der Entwicklungshilfe – gemeinsamen Einsatzes und gemeinsamer Grundlinien kirchlichen Vorgehens bedarf, da sind die Bischöfe eines Landes gemeinsam auf den Plan gerufen.
Die das kirchliche Leben als solche integrierende Struktur zwischen Gemeinde und Weltkirche bleibt das Bistum; die Bischofskonferenz hat sozusagen „subsidiäre“ Funktion für das Ineinander von Weltkirche und Gemeinde, ist aber keine volle Integrationsebene, die sich nochmals zwischen Bistum und Weltkirche schöbe. Daher kommen der Bischofskonferenz sinngemäß nur partielle Vollmachten und Zuständigkeiten für die Bistümer zu. Die Funktion der Bischofskonferenz für das unmittelbar gesellschaftsrelevante Wirken der Kirche eines Landes ist demgegenüber nicht von nur subsidiärer Natur; die Gesellschaft selbst findet ihre integrierende Einheit im Staat, und so liegt auf der nationalen Ebene der direkte Ansatzpunkt für das Sprechen und Handeln der Kirche in die Gesellschaft hinein. Die gesellschaftliche Integrationsebene Staat schließt freilich andere, partielle Integrationsebenen keineswegs aus; es kann je nach Verfassung eines Staates zum Beispiel durchaus geboten sein, daß die Bischöfe eines Bundeslandes innerhalb des Staates in bestimmten Fragen gemeinsam handeln.
b) Wo liegen nun die Konsequenzen für die überdiözesanen Strukturen der Partizipation an den Aufgaben des Amtes?
Die Art der Partizipation und ihre Strukturen müssen den Aufgaben entsprechen, an denen partizipiert werden soll. Die Aufgaben der Bischofskonferenz sind, indirekt oder direkt, gesellschaftsbezogen. Darum sind sinnvollerweise an der Beratung der Bischofskonferenz jene Kräfte zu beteiligen, die auf nationaler Ebene in besonderer Weise für Dienst und Präsenz der Kirche in der Gesellschaft relevant sind. Sie werden – im Sinne des Konzilsdekrets über das Laienapostolat – in dem schon bezeichneten nationalen Kooperationsgremium zusammengefaßt; dieses muß sowohl die diözesanen wie die verbandlichen Initiativen mit einbeziehen.
Die Mitwirkung dieses Gremiums ist vor allem dort unerläßlich, wo es um ein direktes Sprechen und Handeln der Bischofskonferenz in die Gesellschaft hinein zu tun ist. Wie schon dargelegt, steht aber auch die „inner- [40] kirchliche“ Funktion der Bischofskonferenz in Zusammenhang mit den Verhältnissen und Erfordernissen der Gesellschaft. Auch hier wird es um das Einbringen von Gesichtspunkten in die Beratung der Bischofskonferenz gehen, die sich nicht auf die Situation der einzelnen Bistümer beschränken, sondern aus dem Kontext der Kirche mit der Gesellschaft im ganzen zu erheben sind.
Das nationale Kooperationsgremium genügt freilich für die Beratung der Bischofskonferenz in der gesamten Breite ihrer Arbeit nicht. Es gibt Sachbereiche – erinnert sei an Glaubensverkündigung, Liturgie, kirchenrechtliche Probleme, Fragen pastoralen Dienstes –, die auf eine andere Weise der Beteiligung und des Rates angelegt sind, etwa durch Vertreter des Presbyteriums, verschiedener anderer Dienste, theologische Sachverständige.
Die Partizipation aller an den Aufgaben des Amtes ist naturgemäß im Bistum anders strukturiert als auf der Ebene der Bischofskonferenz. Da die Bischofskonferenz auf die Integration kirchlichen Lebens im einzelnen Bistum orientiert bleibt und da bei der Bischofskonferenz gesellschaftsrelevante Fragen einen Überhang bilden, ist der angemessene Weg nicht die „Fortsetzung“ diözesaner Pastoralräte auf der überdiözesanen Ebene, sondern der Rat, der für gesellschaftsbezogene Fragen direkt oder indirekt durch das nationale Kooperationsgremium diözesaner und verbandlicher Kräfte vermittelt wird, und der gezielte Rat für bestimmte Sachbereiche. Gleichwohl kann solche Beratung der Bischofskonferenz nicht an den Diözesen vorbei erfolgen. Doch gerade, wenn es darum geht, daß die Bischöfe die kirchliche Integrationsebene Bistum im Blick behalten, ist die Beratung, die sie aus dem Pastoralrat ihres Bistums in die Bischofskonferenz einbringen, von besonderem Belang. Darüber hinaus stützt das nationale Kooperationsgremium sich auch seinerseits auf die diözesanen Gremien, die, gemeinsam mit den verbandlichen, in ihm zusammengefaßt sind. Diese diözesanen Kooperationsgremien wiederum sind (das konkrete Wie, für das es verschiedene Vorschläge und Lösungen gibt, kann hier außer acht bleiben) mit den diözesanen Pastoralräten verklammert. Für die längerfristige kirchliche Gesamtplanung im Bereich einer Bischofskonferenz bieten gemeinsame Synoden von Bistümern eine Chance, die gerade nicht gewahrt würde, wenn solche Synoden sich als Dauerinstitutionen für die laufende Arbeit der Bischofskonferenz verständen.
Ein wichtiger Aspekt sowohl für die Strukturen kirchlichen Lebens in sich wie auch für die Strukturen der Kooperation im Dienst an der Welt wurde hier nicht eigens berührt: die zunehmende Bedeutung des übernationalen Bereichs. Daß er nicht Integrationsebene kirchlichen Lebens sein kann, wohl aber eine immer wichtigere Kommunikationsebene darstellt, wird im Laufe der nächsten Jahrzehnte sicherlich noch strukturell aufgearbeitet werden müssen.
[41] Die im Ansatz umrissenen strukturellen Konsequenzen aus ekklesiologischen Prämissen stellen keineswegs ein fertiges Strukturmodell vor; sie versuchen jedoch, theologische Linien in die konkreten Verhältnisse hinein durchzuziehen und dadurch eine Alternative zu Einseitigkeiten anzudeuten, die sich nur allzu leicht nahelegen: Einsamkeit eines alles integrierenden Amtes, Integralismus einer alle Aufgaben nivellierenden Mitbestimmung, unbezogenes Nebeneinander von innerkirchlichem und christlichem Weltdienst, ungeschiedenes Ineinander des Aufbaus von Kirche und ihres Dialogs mit Welt und Gesellschaft. Die beiden leitenden Gesichtspunkte, auf welche die vorgeschlagenen strukturellen Konsequenzen hin zu lesen sind, bleiben: gegenseitige Durchdringung von Gemeinde und Weltkirche, gegenseitige Durchdringung von Kirche und Welt. Dies wäre der Weg, um die Ursynthese Jesus Christus auch in der scheinbaren Äußerlichkeit der Strukturfragen gegenwärtig zu halten.