Institution: Geflohen und gesucht

Suche nach der Integration

Die junge Generation hat darin recht, daß Kirche auf ihren Ursprung hin offen und von ihm her lebendig sein soll. Genau das zu erwirken, wäre im Grunde Institution da, aber nicht immer realisiert sie glaubwürdig genug dieses ihr eigentliches Amt. Deshalb die Suche nach Leitbildern der Verwirklichung. Das schönste Leitbild für eine junge Gruppe wäre ein Priester, der ganz seinem Amtsdienst hingegeben und gerade so geistlicher, spiritueller Lenker zu Christus hin ist, der das Wesen der Kirche tief genug verstanden hat, um sich vor antiinstitutionellen Protesten zu hüten, weil sie immer an der Tiefenwirklichkeit vorbeischießen und dabei schließlich doch den verwundbaren Geist Christi und der Kirche „verletzen“ und „betrüben“.

Aber wenn es vielleicht schwer ist, einen solchen Patér pneumatikos zu finden, so gibt es, wie zu jeder Kirchenzeit, so auch heute, echte und große Charismen, dazu geschenkt, damit der Träger eines solchen eine geistliche Familie aus der ihm geschenkten Fruchtbarkeit erzeuge oder gebäre. Es können kanonisierte Heilige oder sonst offiziell anerkannte Persönlichkeiten sein, es können auch Menschen sein, die in ihrem Dasein die Prüfung bestanden und sich ihr Herz zur Weite der Catholica haben aufsprengen lassen. Sie haben es über sich gebracht, sich bis zum Nullpunkt abbauen, entrechten zu lassen, um Raum zu haben für die ihnen anvertraute, überschwengliche Fülle.

[137] Diese „Heiligen“ – wir nennen sie alle einmal kurz so – stellen sich mit schockierender Naivität in und unter die Institution, wohl wissend, daß sie zum sich-selber-verschenkenden Ursprung gehört. Jeder von ihnen weiß, daß er mit allen Organen zuerst empfangen muß und daß im Geschenk eine Forderung liegt, die brennender, strenger und auch begeisternder ist als jedes Gesetz, hinter dem Sanktionen stehen. Im Empfangen wird er der Demutsgestalt Christi ansichtig und lernt dieses „Weniger“ der Gestalt als das Zeichen des „Mehr“ der sich entäußernden Liebe verstehen, schätzen und lieben. Indem er die institutionelle Gestalt wahrt, wahrt er ihren eigentlichen Sinn: die Reinheit des sich hingebenden Ursprungs zu hüten. Indem er innerhalb der institutionellen Gestalt verharrt, vollzieht sich auch an ihm partiell das Wunder, daß in ihm alles Institutionelle lebendig, alles Lebendige institutionell wird. Denn er verwirklicht das johanneische „Bleiben“ |(vgl. Joh 15,9)| in der Liebe, das ihn zu seiner „Säule in einem Tempel“ macht, ohne ihn zu versteinern. Er ist lebendige Gestalt, und er ist es, wie er weiß und bekennt, nur dank der Catholica, die notwendig zugleich Leben und Institution ist.

Das sind die Leitbilder für die kommende Generation. Diese hat vollkommen recht, wenn sie Verlebendigungen der Kirche in irgendwie erfahrbaren Dimensionen, also in Gruppen, Gemeinden, Gemeinschaften (die auch größere, ja weltweite Ausmaße annehmen können) fordert. Aber wenn sie katholische Heilige als Leitbilder wählt, wird sie als Gruppe oder „integrierte Gemeinde“ oder Gemeinschaft sich nie in sich schließen, sondern sich durch Offenheit zur Catholica als dem Ursprung treu bewähren.

Auf solche Leitbilder schauend, wird sie verstehen, daß Kirche nicht machbar, nur empfangbar ist. Also schlichtes Gebet, das sich nicht selbst (individuell oder kollektiv) genießt, sondern nüchtern von sich weg betet. Gebet auch in Form von Vertiefung in den Ursprung: Betrachtung der Schrift, womöglich unter der Leitung eines geistlich Erfahrenen, damit der Blick sich nicht auf das Eigene zurückwende, sondern geradeaus zur Gestalt des dreieinigen Gottes in Christus hinschaut. Dienst ohne Prätention in Kirche und Welt, nicht proselytisch, sondern durch Selbstlosigkeit ansteckend.

Besonders wichtig, eigentlich unentbehrlich, sind solche Gemeinschaften heute für Priester, die der gegenseitigen Stützung bedürfen, um in die ausgewachsene, unverkrümmte Berufung zur geistlichen Vaterschaft hineinzuwachsen. Wer sucht, wird hinreichend Angebote von lebendigen Priestergemeinschaften finden. Solche Zugehörigkeit, solches Geformtwordensein ist beinah unerläßliche Vorbedingung, um in der eigenen Pfarrei die verfügbaren Kräfte wiederum mit gesamtkatholischer Perspektive zu Kernen lebendiger Kirche zu konzentrieren.

In großen Orden, die auf weite Strecken hin entkräftet und degeneriert sind, organisieren sich heute wieder Zellen von ein paar Jungen, die an allen [138] Ideologien der Mehrzahl vorbei, sich am ursprünglichen Charisma des Gründers orientieren.

Aus spontan sich bildenden Gruppen suchender junger Leute guten Willens Kirche im Ursprung zu bilden, ist oft nicht schwer. Wo einmal die Unter- und Überbietung der Gestalt in Jesus ansichtig wurde, wo irgendein Lenker das Spiegelbild dieser Unter- und Überbietung im schlichten nüchternen Dienst, der den Geist ausstrahlt, vorlebt, ist der Zugang zum Mysterium unverstellt und der Horror vor dem kirchlichen Establishment überwunden.