Der Religionsunterricht als Vermittlungsgeschehen

Tendenzen der Postmoderne*

Nachdem am Anfang der Korrelationsdidaktik einfach die Unkorreliertheit von Erfahrung und Glaube stand und am Ende oder am kritischen Punkt, den wir jetzt haben, die Unkorrelierbarkeit zwischen Erfahrung und Glaube, setzt jetzt etwas Drittes ein: die Unkorrelierbarkeit des Subjekts mit sich selbst.

Indem das Subjekt selber sich absolut setzt, löst es sich zugleich auf. Das Durchtragen meines Denkens, meiner Verantwortung ist – nicht aus Frivolität, sondern aus Ohnmacht und aus Überdruck von anderen Erfahrungen – nicht mehr selbstverständlich. Warum nur eine Lebensgeschichte haben? Warum nur in einem Feld „Ich“ sein müssen? Warum das einmal Geschehene und Gültige und Erfahrene durchtragen auch für andere Male? Es ist so, daß im Grunde die räumliche und zeitliche Konsistenz und die immanente geistige Konsistenz des Subjekts in Frage gestellt wird. Wir hören: Es ist das eigentliche Ideal, eine intensive Erfahrung zu machen und dann offen zu sein für eine andere.

Das ist nicht einfach Frivolität, sondern bei dem Andringen der in der einen Welt vielen möglichen Erfahrungen ist die Kraft, die eine jeweils zu verkraften, so stark, daß ich aus mir herausgesogen und dann gar nicht mehr fähig bin, die andere, die ich gemacht habe, durchzutragen, denn die nächste kommt sofort. Und das ist nicht nur ein äußeres Signal innerhalb der Mediengesellschaft. Das „Ich“ kann sich nicht mit sich selber in all seinen Erfahrungen zusammenhalten. Die Welt, die ich machen kann, bleibt nicht dieselbe, sondern sie zerbröselt. [Wir haben es doch gesehen, wie in dem Augenblick, in dem große ideologische Systeme zusammenbrechen, nicht Einheit entsteht – innerhalb oder außerhalb Deutschlands –, sondern nur neue Verschiedenheiten innerhalb der Welt, innerhalb der Gesellschaft aufbrechen und sich verselbständigen.]

Ich kann alles Mögliche machen, aber was ich nicht mehr machen kann, ist die durchgreifende Einheit des Ganzen. Und dann bleibt nur der absolute Pluralismus ohne Einheit, nicht mehr die Spannung zwischen Einheit und Pluralität, sondern es ist so, daß ich im Grunde nur noch das Viele übriglasse. Es gibt viele bedeutende und keineswegs leichtfertige Philosophen der Postmoderne, die sagen: „Jedes Denken an Einheit ist ein Verrat an der unabschließbaren Viel- [377] fältigkeit des Daseins, und alle Verbindungen und Verbindlichkeiten sind ideologisch.“

Wenn ich das absolut setze, ist das natürlich der Zynismus schlechthin; denn wie sollen wir nicht eins sein in unserer einswerdenden Welt? Wie sollen wir bei dem, was mein Essen oder mein Hungern bedeutet für die anderen, was meine Gewalt oder meine Nichtgewalt bedeutet für die anderen, wie sollen wir da einfach sagen: „Es gibt keine Einheit!“ Aber – woher sie nehmen? Die Korrelierbarkeit der Wirklichkeit zu sich selbst ist zutiefst innerlich in Frage gestellt. Das ist die Situation! Was sollen wir hier tun?