Der Weg zur Einheit der Christen als geistlicher Weg
Theologischer Weg als geistlicher Weg – geistlicher Weg als theologischer Weg
Mein Beitrag, um Dr. Kurt Schmidt-Clausen zu ehren, soll eine Skizze jenes geistlichen Weges, jenes Weges im Geiste sein, der von Gottes Wort her Christen in verschiedenen Kirchen doch als ein Weg verbinden und sie so immer näher zueinander führen kann. Dieser Weg ist in sich immer und überall der eine und derselbe, der Weg jener Liebe, die durch Gottes Geist in unsere Herzen ausgegossen ist und die uns untrennbar mit Gott und miteinander verbindet. In seiner Einheit hat er freilich vielerlei Weggestalten. Immer wieder sind Menschen von Gott angerührt und gerufen worden, um den einen, im Evangelium vorgezeichneten Weg der Nachfolge in ihren Lebensverhältnissen zu gehen und ihn so zu gehen, daß eine gemeinsame Wegerfahrung, eine Weggemeinschaft entsteht. In solchen Spiritualitäten innerhalb der einen und einzigen Spiritualität, die dem einen Geist und dem einen Evangelium entspricht, wächst der Christenheit über alle Trennungen und Unterschiede hinweg ein gemeinsamer Schatz zu, der nicht nur „fromme Praxis“ gegenüber nüchterner Theorie bedeutet, sondern Weisheit, welche Sehkraft des Geistes für die Wahrheit und zugleich Kraft ist, den Weg zur Einheit in der Wahrheit zu gehen.
Geistliche Wege, Wege des Lebens im Geist, ersetzen nicht den Weg der Theologie, aber – die große Tradition des Mittelalters bis hin zu Martin Luther erweist dies – große theologische Wege sind beheimatet in den geistlichen Weggemeinschaften der Orden und der in ihnen niedergelegten geistlichen Erfahrung mit dem Evangelium. Und die nichtsdestoweniger bleibende Unterscheidung zwischen geistlichem Weg und theologischem Weg bedeutet keineswegs, daß der geistliche Weg nur ein Anlauf wäre, der durch einen theologischen weitergeführt und ergänzt werden müßte. Nein, der theologische Weg selbst muß auch seinerseits ein geistlicher sein und wird nur als geistlicher bis zu seinem Ende führen. Die implizite Theologie des geistlichen Weges muß entfaltet, die sachlichen Unterschiede müssen theologisch aufgearbeitet werden. Diese Aufarbeitung selber aber kann nur in jenem Geist geschehen, der nicht bloß Instrument der Erkenntnis des Glaubens, sondern seine Quelle ist, Quelle, die nicht abstrahiert vom Leben aus dem Geiste unser Erkennen nährt. Das Geistliche ist Sehbedingung der Theologie, und diese Sehbedingung muß das Sehen selber bis zu seinem Ziel hin ermöglichend begleiten.
Die nachfolgenden Konkretionen sind für mich Frucht eines konkreten geistlichen Weges. In der Landschaft, durch die dieser Weg führt, wurde mir auch die Begegnung mit Dr. Kurt Schmidt-Clausen geschenkt. So ist mein Beitrag zugleich Erinnerung an den „Ort der Begegnung“. Es ist die Spiritualität der Fokolar-Bewegung, die, 1943 von Chiara Lubich begründet, in ihrem Ursprung keineswegs von ökumenischen Absichten geleitet war, geleitet sein konnte. Es ging einfach um die elementare Entdeckung des Evangeliums als eines Lebensweges, der von sich selber her seinen Schwerpunkt, seine Mitte, seine Grundperspektive in Jesu Gebet um die Einheit der Seinen nach dem Maße seiner Einheit mit dem Vater gewann (vgl. Joh 17,21–23). In der unge- [33] mein raschen Ausbreitung dieses Weges konnte es aus seiner inneren Logik heraus nicht ausbleiben, daß er sehr bald einen breiten und tiefgehenden ökumenischen Impuls auch unter Evangelischen, Reformierten, Anglikanern und Orthodoxen auslöste.
Es geht im folgenden jedoch nicht um eine vollständige oder auch nur abgekürzte Vorstellung der „Spiritualität der Einheit“, wie sie sich in der Fokolar-Bewegung ausgebildet hat, und ihrer ökumenischen Relevanz. Vielmehr bietet diese Spiritualität den Hintergrund, um einige Momente ans Licht zu heben, die allgemein den geistlichen Weg kennzeichnen, der Christen gewiesen ist, auf daß sie zur Einheit finden.