Theologie als Nachfolge

Trinitarische Produktivität ist Grund schöpferischer Produktivität

Vollkommenheit ist für Bonaventura nicht zu trennen von Produktivität, Hervorbringung. Aber Produktivität hat außerdem ihre eigene, innere Dynamik, die von sich her wiederum zum trinitarischen Ursprung hinführt – dem geht Bonaventura auf der zweiten Stufe seines Gedankens nach.1 Hier zeigt Produktivität [156] in sich selbst eine vertikale Stufung. Diese spielt zwischen dem Ursprung, einem ihm entsprechenden, gleichartigen und innerlichen Produkt und einem durch beide erst ermöglichten andersartigen, den Ursprung unterbietenden, äußeren Produkt. Inwiefern dies auch bei naturaler Produktivität im Sinne Bonaventuras der Fall ist, braucht uns hier nicht zu beschäftigen. Daß es auf geistige Produktivität zutrifft, wird aus dem Zusammenhang zwischen Sprechendem, Gedanken und Wort oder Künstler, Idee und Kunstwerk deutlich: ohne Gedanke kein Wort, ohne Idee kein Kunstwerk – ohne inneres, „gleichartiges“ kein äußeres, „andersartiges“ Produkt. Bonaventura folgert nun: Wenn es Schöpfung gibt, dann muß es im Schöpfer auch eine Produktivität geben, die Schöpfung ermöglicht; diese begründende Produktivität kann aber den göttlichen Ursprung nur einholen, wenn sie ihm unbedingt Entsprechendes, Gleiches und Innerliches hervorbringt. Dies nun zeigt Trinität als Voraussetzung von Schöpfung an.

Bonaventura selbst macht sich den Einwand, ob nicht auch vor der Offenbarung des dreifaltigen Gottes bereits Schöpfung gedacht worden, ob also nicht doch Schöpfung denkbar sei ohne Trinität. Seine Antwort: in einem vorläufigen, nicht durchdringenden Sinn ja; doch erst durch die Selbstoffenbarung Gottes enthüllt sich dem Denken die letzte Tiefe des Grundes der Möglichkeit von Schöpfung. Ein zweiter Einwand trifft nicht den Gedanken Bonaventuras, sondern unsere Hinführung: Innerhalb geschöpflicher Produktivität unterbietet nicht nur das äußere, sondern auch das vermittelnde Produkt seinen Ursprung; der Gedanke enthält und erschöpft nicht den Denkenden, die Idee nicht den Künstler. Bonaventura selbst macht dies in einem späteren Abschnitt derselben Collatio deutlich. Worum es ihm hier aber geht: Wenn es Produktivität gibt, die ein dem Ursprung gegenüber andersartiges, ihn unterbietendes, ihm äußerliches Produkt setzt, dann liegt die Bedingung der Möglichkeit solcher Produktivität in einer voraus-gesetzten Produktivität: der des Gleichartigen, Entsprechenden, Inneren.


  1. Hexaemeron XI, 9; klärende Rückfrage Hexaemeron XI, 10. ↩︎