Aufgabe der Universalität – Aufgabe der Identität
Übersetzung des Gotteswortes ins Menschenwort*
Was ist geblieben? Begegnung von Kirche und Welt. Solches ist im Innersten des Glaubens verankert, und so ist auch Akademiearbeit im Innersten des Glaubens verankert, wenn auch die Form eine geschichtlich bedingte ist. Denn es kann gar kein Wort Gottes geben, das sich uns nicht zusagt in einem menschlichen Wort. Das Wort Gottes kann gar nicht gesagt werden, wenn es nicht sich hineinbegibt in menschliche Sprach- und Denkmöglichkeiten, in menschliche Erfahrung, die zweifellos umgebrochen, verwandelt, überboten, gesteigert werden, und die dennoch das Gefäß und das nicht nur äußere Gefäß für Gottes Wort bleiben. Glaube nun hat dieselbe innere Geschichte wie Gottes Wort. Glaube kann nie anders geschehen, als daß Gottes Wort sich hineinfragt und sich hineinwagt in unser menschliches Fragen, Erfahren und Sprechen. Nur in diesem inneren Dialog, in dieser Begegnung mit dem, was in der Welt gesagt und gedacht wird, kann Glaube überhaupt geschehen, weil Offenbarung nur so geschehen kann. Dann aber ist es eine grundlegende Aufgabe der Verkündigung zu aller Zeit, daß sie nicht nur Verkündigung ist, sondern daß sie, in der Not und Notwendigkeit zu reden, zugleich und zuerst schnell zum Hören sei (vgl. Jak 1,19). Und so, wie wir als Glaubende zu hören haben auf Gottes Wort, so zeigt Gottes Wort gerade darin seine Fülle und Tiefe, daß es ein hörendes, ein auf uns hörendes, ein uns zugehörendes, ein sich in unsere Sprachmöglichkeiten hineinhörendes Wort ist. Gott hört zu, nur so kann er sprechen. Und das, was Gott selber tut, indem er uns zuhört, indem er gehorsam geworden ist, indem er untertan war einer menschlichen Mutter, das wiederholt sich in der Geschichte unseres Glaubens. Nur indem wir dasselbe tun, was Gottes Wort tut mit dem menschlichen Gedanken, mit den menschlichen Erfahrungen, nur indem wir also dieses innere Gespräch, das in der Offenbarung und in der Kirche, im Glauben und in der Theologie geschieht, ausdrücklich werden lassen: nur darin gewinnt Kirche Welt. Ihre Identität hat sie nur in jener sich entäußernden Universalität, in der keine menschliche Frage und kein menschlicher Ausdruck nicht befragt und nicht angenommen wären von Gottes Wort. Und je mehr sich die Epoche machenden menschlichen Erfahrungen und Fragen einerseits und die überlieferte Gestalt des Glaubens andererseits auseinanderleben, müssen sie sich neu ineinander hineinfragen. Und [94] dem gerade dient das Gespräch, dessen Ort die Akademie ist. Es geht nicht darum, Gottes Wort zu relativieren, sondern es so in unsere Frage und unser Verstehen hineinzustellen, daß es wahrhaft Antwort an uns und Maßstab für uns wird. Seine Identität soll gewahrt, aber sie soll in jener Universalität bewährt werden, die auch unsere Zeit mit ihren Denk- und Fragemöglichkeiten umfaßt. Diese Begegnung zwischen Gotteswort und Menschenwort, die zum Gotteswort und zum Glauben selbst unablöslich hinzugehört, ist der Kern und ist das Fundament, ist die erste Dimension der Arbeit katholischer Akademie.
Identität, die sich in der Universalität, Sich-Treubleiben, das sich im Neu- und Anderswerden, Insichbleiben, das nur im Sich-Hin-auswagen sich bewährt: das ist der Rhythmus der gesamten Akademiearbeit. Sie hat über die angerissene fundamental-theologische Dimension hinaus noch weitere Dimensionen, die hier zur Sprache zu bringen sind.