Franz von Baaders philosophischer Gedanke der Schöpfung
Unmittelbarkeit der Idee
Blickt das Denken aus seinem fassenden Beziehen auf die Unmittelbarkeit zurück, aus der es schon je „zu sich“ gekommen ist, so trifft es eben auf den schon immer bei allem und so bei sich selbst verweilenden Aufbruch als eine „erste Expansion“, die „eigentlich noch keine“, sondern „Ungrund“ und „Dissemination“ ist1. „Idee“, ermöglichend vorstellende Voranwesenheit des Ursprungs bei sich selbst, erscheint wie ein erster „Spiegel“2, der alle Gestalten enthält und verschweigt, wenn nicht der begehrende Blick auf ihn fällt und sie so als seine „Lust“ einzieht .
Alles Sichtbare kann im Spiegel, alles, was ist, kann Gestalt des sich vollziehenden, sich verwirklichenden Ursprungs sein, wo dieser in seine eigentliche Dimension, die des Geistes tritt, in welcher Idee als Idee, Offenheit als Offenheit allein vorkommen.
Diesen „Spiegel“ nennt Baader im Anschluß an Böhme eine „jungfräuliche Matrix“3, „jungfräulich“, weil eben noch unberührt vom Be gehren, vom ergreifenden Bezug und weil so in sich selbst offen für alle Bilder und frei von allen Bildern, die sich in ihn einzutragen vermögen. Daß ist, was ist, ist nicht gebunden an dieses oder jenes oder irgendeines, das ist. Und doch, gerade deshalb ist der Spiegel die „matrix“ aller Bilder, unbeschränkt und unverbraucht zu empfangen und wiederzugeben fähig; „aus diesem Spiegel (der Idea)“, daraus, daß ist, was ist, „schöpft alles“, was ist oder sein kann, „seinen Urstand“; die Idee umfaßt „in potentia“ oder „im Glast“ „alle Dinge, was da werden könnte oder sollte, von Ewigkeit“4. In allem, was ist, zeigt sich in je eingrenzender Bezüglichkeit ergriffen, daß ist, was ist; darin gründet und steht das Seiende, wenn eben auch nur durch seinen das Sein ergreifenden Bezug. Baader spricht vom „Einziehen der Vision aus dem Spiegel“5, das diese erst wirklich und „sichtbar“ macht.
Weist die Idee, „abstrakt“ betrachtet, auch nicht über ihre erste „Stille“ [92] hinaus6, so ist diese abstrakte Betrachtung gleichwohl „unwahr“. Von Anfang an ist die Idee der Vorsatz des Geschehens, der Wink der „Lust“, die „Vorstellung“ dessen, was durch den begehrenden Zugriff dann zur „Darstellung“ kommen will7. Die anfängliche Aufhebung des Willens in die noch ungestörte Beschauung ist bereits „Imagination“ des äußerlichen Seins8, in der die distanzierte, in sich schwingende Jungfräulichkeit der Idee ihren „magischen“ Zauber ausübt, der „magnetisch“ wirkt9. Unter ihm findet sich der Wille auf sich selbst, ins Gegenüber, in den „Bezug“ der Natur gewiesen, aus welchem die Idee „bei ihrer wahrhaften Realisierung eben aus ihrem magisch-figürlichen Sein erstleib- und lebhaft hervortritt“10. Der Ursprung steht anfänglich „im Banne“ der Idee, und das heißt ebenso: er ist von ihr angezogen, wie: in sich selbst, in seine Differenz hinein „gebannt“.
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FC 5,30 II 363; vgl. SpD 5,2 IX 173 ff. ↩︎
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XIII 348,356 f.; 358 f.; RPh 15 I 186; FC 5,30 II 362 f.; JB 5 III 389: Br XV 447; ferner z. B. FC 3,4 f. II 246 f.; SpD 5,3 IX 182. Baader setzt öfters auch das Wort „Auge“ dem Ausdruck „Spiegel“ bei; er denkt dabei an die Offenheit, in welcher „erscheint“, was ist, nicht an die Rückbezüglichkeit vollbrachten Sehens. ↩︎
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JB 5 III 389. ↩︎
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RPh 15 I 186,187. ↩︎
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FC 5,30 II 362. ↩︎
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SpD 5,3 IX 181 Anm. 2. ↩︎
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FC 5,30 II 367. ↩︎
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Siehe FC 3,12 II 259 f.; SpD 5,3 IX 180 Anm., 182 und allenthalben; vgl. XVI 257 ff. „Imagination“. ↩︎
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Vgl. etwa RPh 35 I 250 Anm.; FC 3,12 II 259 f.; SpD 5,3 IX 181; ferner XVI 259 „Imago, magnes, magia“. ↩︎
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FC 6,17 II 421. ↩︎