Der Begriff des Heils

Unselbstverständlichkeit

Dasein ist wesenhaft „dramatisch“. Das Selbstverständnis ist ihm langweilig. Es erwächst aus der Freiheit seines Ursprungs und greift aus nach [226] unabsehbarer Ursprünglichkeit als Begegnenden. Außerhalb des Vollzuges der eigenen Ursprünglichkeit gesicherte Integrität und Kommunikation wäre gerade keine mehr. Mein Vollzug, der das schon „geliefert“ erhielte, was er aus eigenem Ursprung vollbringen will, ginge nicht ins Volle, sondern ins Leere; die Ablösung der Begegnung in gekonnte Allbekanntheit ließe die Einsamkeit, die Isolierung des Ich in sich selbst zurück.

„Heil“ steht in vielen Sprachen in einer kaum scheidbaren Affinität zu „Heilung“, „Rettung“. Gerade das letzte Moment ist phänomenal konstitutiv. Wo Heil bloß als selbstverständliche evolutive Endstation erschiene, verlöre es seine Spannung zum Dasein, das auf es aus ist; es wäre nivelliert. Wo es freilich nur eben Zufall irgendeines Glückspiels wäre, hätte es wiederum seine das ganze Dasein auf sich spannende Kraft eingebüßt. Dem Heil entspricht daher ebenso die verhoffende, ernste Zuversicht des Daseins wie die Unselbstverständlichkeit seiner Gewähr. In einem strengen (nicht im vorhinein alle „reformatorischen“ Erfahrungen ausschließenden) Sinn ist Heilssicherheit ein Unbegriff; der Struktur des Daseins angemessen kann nur jenes Heilsvertrauen sein, das Zuversicht und Unsicherbarkeit zusammenspannt, indem es das Dasein frei macht, sich über sich selbst hinauszulassen in seine es verwandelnde Gewähr.