Der Begriff des Heils

Ursprünglichkeit

Dasein stößt vom allgemeinen Horizont seines umgreifenden Ich in die Einzelheit des Augenblicks zurück, der ganz der meine, der ganz frei, der ganz spontan sein soll. Er stößt zugleich über seine eigene Grenze vor, will über sich hinausspringen in den weiteren Horizont. Beide Richtungen bezeichnen, zusammengelesen, das Geschehen von Ursprünglichkeit.

Der These, menschliches Dasein suche sich als radikale Ursprünglichkeit, scheinen viele Fakten zu widersprechen. Leben wir nicht in einer Zeit der Klischees? Suchen wir nicht vorgefertigte Verhaltensmuster, um uns ihnen zu adaptieren und die Eigenentscheidung, die doch Höchstform von Ursprünglichkeit ist, loszuwerden? Es darf indessen auffallen, daß gerade mit der faktischen Flucht vor vollbrachter Ursprünglichkeit die Stilisierung des Anspruchs Hand in Hand geht, frei und unabhängig zu sein. In den Bindungen, in welche menschliches Dasein nun einmal gestellt ist, wird allenthalben Gewalt oder Frustration für die Freiheit gewittert, die theoretisch bestritten und praktisch postuliert wird. Sogar noch die Flucht in Traum und Rausch, die das Selbst von sich wegheben ins reine Vergessen, sind Weisen, wie es Unmittelbarkeit erfährt, sind Prothesen verleugneter Ursprünglichkeit. Die Leidenschaft, Determinationen, Abhängigkeiten, Fremdbestimmungen aufzudecken, ist Index der Suche nach dem eigenen Ursprung.

Indem menschliches Dasein aus ist auf seine Integrität, ist es aus auf die Verwirklichung seiner eigenen Ursprünglichkeit. Scheinbar der radikalste Gegensatz zum „angebotenen“ Heil. Und doch der Ruf nach dem Heil der Ursprünglichkeit, nach dem, was ihr gewährt, Ursprünglichkeit zu sein – Heil als „Befreiung zur Freiheit“ gehört zur Struktur des Daseins.