Propädeutische Überlegungen zur Glaubensvermittlung
Vermittlung und Gnade*
Schlagen wir zum Schluß wieder die Brücke zum Anfang: Die Sache ist die Methode. Den Gedanken des Aristoteles, den wir knapp an der Christologie gegengelesen haben, wollen wir nunmehr an unseren drei Fallbeispielen nochmals gegenlesen. Dieser Durchgang wird unsere Reflexion beschließen. Es soll uns aufgehen, von woher die drei Pole – ich, du und die Sache – eins sind und von woher die Lehre und die Vermittlung des Glaubens eins sind. Den Schlüssel bietet uns die hintergründigste unserer Geschichten, die Erzählung von Maria Theresia Scherer. Im Augenblick der Begegnung ging auf, daß die Geschichte des einen die Geschichte des anderen ist und daß in beiden die Geschichte dessen verborgen durchscheint, der für uns Mensch werden wollte, um unser Geschick mit uns zu teilen und uns in sein göttliches Geschick einzubeziehen. Was wir zu verkünden haben, ist letztlich nicht anderes und nicht mehr als die Geschichte des Gottes, der Liebe ist und aus Liebe in der Sendung seines Sohnes und seines Geistes unsere Geschichte geteilt, unser aller Geschichte zu seiner eigenen gemacht hat. In der Logik der Liebe beurteilt, ist solche Unterbietung zugleich Steigerung, ist solcher Abstieg zugleich Aufstieg, weil die Liebe mehr Liebe, ganz Liebe wird. Dank der Menschwerdung des Sohnes sind unsere Geschichten in der seinen und ineinander auffindbar. Die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanums „Gaudium et spes“ hat es präzise formuliert: „Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt.“1 Gottes Liebe ist die Sache und ist die Methode des Glaubens; das meint: die Sache der Liebe Gottes ist der Weg ihrer Vermittlung, auf dem sie selbst zu uns kommt und wir in ihr zueinander kommen.
Von der dritten Geschichte her wird auch die erste Geschichte als Geschichte der Gnade transparent. Denn als solche darf ich sie nun „umkehren“: Ich selber bin der Mensch, in dem ich Jesus finde. In das Antlitz Jesu schauend, entdecke ich mein Gesicht: „Ecce homo!“ – „Sieh da, das ist Er, das bist du!“
Als Geschichte der Gnade läßt sich schließlich auch die zweite Geschichte neu erzählen: Trotz des Anstößigen, Skandalösen des Christentums kann doch die Verkündigung des Petrus derart machtvoll verlauten, und zwar weil ein Anderer in ihm zu Wort kommt, daß es die Umstehenden mitten ins Herz trifft und Menschen damals wie heute fragen: „Was müssen wir tun?“
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Zweites Vatikanisches Konzil: Gaudium et Spes 22. ↩︎