Ökumene aus der Mitte

Von der indirekten zur direkten ökumenischen Arbeit

Was ich hier von meinem persönlichen Christsein und von meinem Versuch, nicht für mich allein Christ zu sein, angedeutet habe, das ist mir in den ersten Monaten meines Dienstes als Bischof wie von selbst auch zum Konzept, besser: zur Leitlinie meines Dienstes im Bistum geworden. Es scheint mir nach innen, in den Raum meiner Kirche hinein, das Fällige zu sein, der Weg, wie die ganze Substanz des Überlieferten bewahrt und neu werden kann, der Weg, wie unterschiedliche Gruppen und Richtungen ihre eine Mitte finden, der Weg auch, wie für Suchende, Desorientierte, Enttäuschte Evangelium und Kirche wieder anziehend werden können. Und wenn bei solchem Bemühen das Wort „ökumenische Arbeit“ überhaupt nicht fiele: ich wäre überzeugt, daß solche „innerkirchliche“ Arbeit eminent ökumenisch ist. Denn die radikale Orientierung an der Mitte, an dem, der die Mitte ist, kann doch allein der Weg sein, der uns zusammenführt. Wenn Jesus Christus die lebendige Mitte in jeder Kirche wird, dann wird er auch die Mitte zwischen den Kirchen, dann wächst in den vielen Kirchen die eine Kirche.

Allerdings schlägt solche indirekte ökumenische Arbeit wie von selber in die direkte ökumenische Begegnung um. Immer wieder durfte ich Christen unterschiedlicher Konfession begegnen, die gerade nicht die Probleme von Unterschied und Einheit ihrer Kirchen thematisierten, die nicht auf das fixiert waren, was noch nicht geht, Christen, die sich vielmehr das Leben aus demselben Wort gegenseitig schenkten, die so ihre Freundschaft bis zum Maß des Neuen Gebotes vertieften, die das Kreuz der Trennung miteinander trugen und doch schon jetzt die Erfahrung des Herrn in ihrer Mitte machten.

Ich bin überzeugt, daß hier der Weg liegt. Gemeinsames Leben des Wortes, der Liebe, des Kreuzes, Versammelt-Sein um den Herrn in unserer Mitte, das alles ist jetzt schon möglich. Und es ist, genau genommen, nicht erst eine Vorstufe. Wenn es einmal kein Amt und keine Sakramente und keine Dogmen mehr geben wird, in der Vollendung, wird es gerade dies noch geben: den Herrn in unserer Mitte und wir eins in seinem Namen. Diese Endgültigkeit im Vorläufigen ist freilich kein Alibi, um das, was trennt, auf sich beruhen zu lassen, um auszuwandern von den institutionellen Kirchen in eine Geistkirche. Im Gegenteil. Das Endgültige im Vorläufigen will Sauerteig sein, um das Vorläufige zu durchdringen und zu verwandeln. Und so können wir uns weder die Mühe noch die Klugheit, weder die Geduld [7] noch die Ungeduld, weder die Klarheit noch die Offenheit ersparen, die notwendig sind, damit wir immer näher zur leibhaftigen Einheit kommen. Aber die Schritte auf diesem Weg werden nur in dem Maß Schritte aufeinanderzu sein, als sie bereits Schritte im Endgültigen sind. Ich meine, auch bei Konferenzen, auch bei Verhandlungen, auch bei Kontroversgesprächen und gemeinsamen Aktionen könnte das Wie überall Maß, Kraft und Licht sein: sein Wort leben, seine Liebe tun, sein Kreuz annehmen, ihn in unserer Mitte suchen.