Glauben – wie geht das?
Vorfrage: Glauben, wie geht das?
Man sollte sich öfters einmal die Freude gönnen, einem Kind ein Spielzeug zu schenken, und zwar möglichst eines, das nicht zu kompliziert ist. Dann kann man miterleben, wie die Welt entsteht. Das fremde Ding wird ausprobiert. Nach allen Seiten hin wird es gezerrt und gezogen, seine Widerstandsfähigkeit wird erprobt, die eigenen Kräfte werden an ihm gemessen, es wird auf jede erdenkliche und kaum erdenkliche Weise mit anderen Gegenständen kombiniert. Dabei kommt zweierlei heraus, und beides läßt sich nicht voneinander trennen. Zum einen kommt heraus, was an Möglichkeiten in diesem Etwas drinnensteckt, und zum andern kommt heraus, was an Möglichkeiten im Kind drinnensteckt. Das Spielzeug bekommt seine Rolle, indem das Kind mit ihm spielt, im Spiel entscheidet sich, „was“ es ist. Und das Kind gewinnt seine Rolle, indem es spielt. Es entfaltet seine Eigenart, seinen Charakter, wenn wir so wollen: sein Wesen im Vollzug des Spiels.
Wie geht das? Eine scheinbar harmlose Frage, die auf das Funktionieren einer Sache, auf den Gang eines Spiels abzielt. Aber in diesem „Gehen“ laufen nicht nur Funktionen, nicht nur Regeln ab, in diesem Gehen geht das Leben, geht der Mensch, geht die Welt. Wenn wir uns auf einen neuen Mitarbeiter oder eine neue Stelle oder eine neue Wohnung oder auch nur auf ein neues Auto einzustellen haben, dann sind wir gespannt, ob und wie es gehen wird. Es kommt darauf an, sich auf jene Gangart einzupendeln, die den anderen oder die Sache zur Entfaltung kommen läßt und zugleich [12] mich selbst. Im Mindestfall ist der Kompromiß gesucht, im Grunde aber immer mehr, immer die Steigerung, den Zugewinn an Leben, an Sinn, an Wirklichkeit.
Natürlich kann es mitunter auch zum Druck werden, daß es gehen muß. Dies nicht nur, wenn wir auf Widerstände stoßen, auf mangelndes Zusammenspiel, sondern oft genug einfach durch die sich steigernden Anforderungen in einer immer mehr technisierten und verwalteten Welt. Wie oft und in wie unterschiedlichen Richtungen muß jeder von uns sich die Frage stellen: Wie geht das? Wie muß ich diesen Apparat bedienen, wohin muß ich mich in dieser Behörde begeben, was muß ich tun, um die richtige Fahrkarte zu lösen und sie auf die richtige Weise zu entwerten, wie muß ich diesen Wahlzettel ausfüllen, damit er gültig ist? Mitunter hat man den Eindruck, zum bloßen Mitläufer eines auf vollen Touren laufenden Apparates zu werden, den unsere eigene Freiheit programmiert hat. Sie wollte sich entlasten, wollte mehr Zeit fürs Wesentliche haben – und nun läuft sie ihrem eigenen Programm hinterher und wird sein Sklave.
Das unbefangene Abenteuer des Kindes, das spielend seine Welt probiert, und die Last des vorprogrammierten Mitläufertums mit den Programmen des selbstgezimmerten Systems – beides steht unter derselben Frage: Wie geht das?