Glauben – wie geht das?

Was ist das, wer ist das: der Geist?

Gottes Geist in uns, dasselbe in uns, was Jesus erfüllt, woraus er lebt und wirkt und sich hingibt, so sehr, daß wir selbst Christi Leben teilen und seine Stelle für die Welt einnehmen: Was ist dieser Heilige Geist?

Im Römerbrief lesen wir: „Wer den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm“ (Röm 8,9), und: „Alle, die sich vom Geist Gottes führen lassen, sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht den Geist empfangen, der euch wieder zu Knechten macht, so daß ihr euch fürchten müßtet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! [142] Der Geist selber bezeugt unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind“ (Röm 8,14–16).

Daß wir durch den Geist des Sohnes Söhne sind und nicht mehr den entfremdenden Gewalten der Weltzeit unterstehen, daß wir, über die Unterschiede unserer Herkunft und Tradition hinweg, im einen Geist durch Jesus Christus den freien Zugang zum Vater haben, daß der Geist Anfang unseres Erbes, also der Vollendung unserer Sohnschaft ist, sind andere Aussagen, die denselben Sachverhalt in unterschiedlichem Zusammenhang bei Paulus im Auge haben (vgl. Gal 4,1–7; Eph 2,18; 2 Kor 1,22).

Im Heiligen Geist rufen wir also: Abba, Vater! Der Geist gibt uns Zeugnis, daß wir Söhne Gottes sind. Im Geist gehören wir zu Christus und erkennen wir, daß wir zu Christus gehören. Im Geist – so dürfen wir aus einem anderen paulinischen Zusammenhang hinzufügen – allein erkennen wir auch Jesus als den erhöhten Herrn (vgl. 1 Kor 12,3). Dies entspricht dem uns schon bekannten Geistzeugnis, wie es bei Johannes formuliert ist: Wir erkennen, daß Jesus im Vater ist, wir in ihm sind und er in uns ist. Der Geist bezeugt also den Vater und den Sohn und uns als zu beiden gehörig. Das „Bezeugen“ des Geistes ist freilich im Blick auf uns schöpferische Kraft. Denn der Geist macht uns zugleich zu Söhnen, er gibt uns zugleich, als Gottes Gabe, den Anfang des Sohneserbes, das uns mit Jesus zuerkannt ist.

Für Paulus ist der Geist aber nicht nur Gottes Kraft, die nach außen wirkt. Er ist wirksam in Gott selbst. Er ist jener, der die Tiefen der Gottheit kennt. Nur er ermißt Gott von innen, so wie unser Geist, hier verstanden als unser Wissen um uns, das Innerste in uns, uns selbst ermessen und verstehen kann. Als Geist, der Gott kennt, ist er letzte, keiner weiteren mehr unterworfene Instanz (vgl. 1 Kor 2,14f.).

Der Geist, der Gott von innen erkennt, ist für Paulus Geist des Vaters *und *des Sohnes. „Ihr aber seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt, da ja der Geist Gottes in euch wohnt. Wer den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm. Wenn Christus in euch ist, dann ist der Leib tot für die Sünde, der Geist aber schafft [143] Leben aufgrund der Gerechtigkeit. Wenn der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, durch seinen Geist, der in euch wohnt, auch euren sterblichen Leib lebendig machen“ (Röm 8,9–11). Geist wird hier also in einem Atemzug als der Geist Christi und als der Geist dessen bestimmt, der Christus von den Toten auferweckt hat. Es ist der eine Geist, der in beiden lebt und wirkt, im Vater wie im Sohn. Er bezeugt zugleich, daß der Vater im Sohn und der Sohn im Vater ist. Dieser gemeinsame Geist unterscheidet sich von jenem gemeinsamen Bewußtsein der Liebe, des gegenseitigen Inneseins zweier Liebender ineinander insofern, als der Geist Gottes selber mitteilender, bezeugender, wirkender Ursprung ist.

Wenn – um auf Matthäus und Lukas zu blicken – niemand weiß, wer der Sohn ist, nur der Vater, und niemand weiß, wer der Vater ist, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will (vgl. Lk 10,22 und Mt 11,27), dann gibt es etwas, was in beiden das Sich-kennen beider in göttlicher Ausschließlichkeit kennt, weiß, bezeugt. Und gerade dies Gott ganz Umfassende, Durchdringende, Vater und Sohn Erfüllende und Verbindende ist, nach allem, der Geist.

Könnte man indessen nicht auf die Vermutung kommen, Geist bedeute einfach eine göttliche Kraft, die im Vater und im Sohn wirkt, und wie dies mit Liebe und Glück, mit Weisheit und Tod ist, so habe man auch diese Kraft Gottes sinnbildlich zur Person hochstilisiert – und später glaubte man dann eben an ihre Personalität?

Außer dem verbindlich in der Kirche entfalteten Glaubensbewußtsein als solchem sprechen innere Gründe gegen diese Meinung. Der Geist des Vaters in Jesus – der Geist des Vaters und Jesu in uns: hier handelt es sich um eine göttliche Selbstmitteilung, in der er etwas von sich in Jesus und in uns hineingibt. Etwas von sich? Erinnern wir uns an die Aussage bei Johannes, daß Gott den Geist ohne Maß in Jesus hineinlegt. Eine unangemessene, totale Selbstmitteilung Gottes aber – das kann nichts anderes sein als Gott selbst. Denn Gott hat gar keine andere „ganze Kraft“ seiner selbst [144] als sich selbst, es gibt in ihm keine andere Totalität als ihn, Gott selbst.

Bei Johannes tritt der Geist aus dem möglichen Verständnis einer anfänglichen Gabe, die nur gegeben ist und nicht auch selber gebend ist, vollends heraus: Der Geist redet nicht von sich aus, sondern er redet, was er hört Er verherrlicht Jesus; er nimmt von dem, was sein ist, um es uns zu verkünden. Von dem, was sein ist, das meint: von dem, was des Vaters ist, weil alles, was des Vaters ist, auch dem Sohn gehört (vgl. Joh 16,13–15). Der Geist steht also von sich aus im Verhältnis zum Vater und Sohn. Als beide innigst verbindend, ist er zugleich beiden gegenüber.

Könnte es aber nicht problematisch sein, uns ausschließlich auf diese Aussage des Johannesevangeliums zu stützen, die so in früheren Schichten der Schrift nicht formuliert ist? Genau diese johanneische Aussage ist die geradlinige Fortführung und Ausformulierung dessen, was die Aussagen über den Geist in Jesus bei Paulus und in den ersten drei Evangelien anzielen: die qualitativ verschiedene, schlechterdings unüberholbare Weise, wie Gott in Jesus wirkt, wie er seine Vollmacht, seine Gegenwart, seine Herrschaft, sich selbst ihm anvertraut.

Ein Gegenmodell gegen Geist als ein personales Drittes im einen Gott wäre der Gedanke: Der Sohn ist durch die grenzenlose Selbstmitteilung des Vaters, durch seinen Geist, verstanden als liebendes Ja des Vaters zum Menschen Jesus, der Sohn – und dieses Ja, dieser Geist, aus dem er lebt, gibt Jesus in uns hinein, wir werden so mit ihm zu Söhnen. Die Gegenfrage: Hätte dann Gott wirklich sich gegeben, indem er Jesus für uns dahingibt? Wäre die Hingabe eines Sohn gewordenen Menschen für die anderen Menschen jene „größte Liebe“, in der Gott sich selbst hineingibt in unser Leben und Sterben – oder wäre Jesus nicht doch nur der ins Eigene Gottes von außen hineingenommene Andere, dem Gott unsere Last auflädt? Jene äußerste Liebe Gottes, wie sie uns nicht erst Johannes (vgl. Joh 3,16), sondern auch Paulus bezeugt (vgl. Röm 8,32; 5,6–10), wäre in einer bloßen Geist-Christologie unterboten (wogegen auch 2 Kor 3,17 nicht ins Feld geführt werden kann, wo Geist Lebensraum und Daseinsweise des erhöhten Herrn bedeutet. „Geschichtliche“, nicht personale Identität von Sohn und Geist sind bei dieser Stelle im Blick). Der Geist ist nicht nur die Gabe des Vaters an den Menschen Jesus, den er so zum Sohn machte, wie wir durch den Geist Söhne Gottes werden. Jesus ist der Sohn, der das Menschsein annimmt, ja der Mensch wird – Gott selbst gibt sich in ihm. Und Vater und Sohn geben, jeder sich dem anderen gebend, einander den einen Geist, der genauso ursprünglich und ursprunghaft, personhaft, zu Gott selbst gehört, in die göttliche Gemeinschaft von Vater und Sohn hineingehört. Auch das entgegengesetzte Deutungsmodell ist also auszuschließen: Geist als „anderer Name“ für den Sohn. Jesus gibt sich uns hin – aber er gibt nicht nur sich weiter, sondern zugleich das, was er dem Vater und der Vater ihm schenkt, die eine, gemeinsame Gabe, die sie einander schenken: den Geist als Drittes. Diese Gabe ist aber kein bloßes Etwas, sie ist lebendiger, wirkender Ursprung, der uns den Vater im Sohn, den Sohn im Vater bezeugt.

Jesu Menschsein ist von diesem Geist durchdrungen, erfüllt, ja, gebildet – und diesen seinen Geist gibt der Sohn, sich gebend, uns dahin, damit wir die Kraft und Tiefe seines göttlichen Lebens in uns haben, damit wir im Geiste Söhne Gottes seien. Wir sind es, aber sind es im bleibenden Unterschied zum einzigen Sohn, unser anderer, geschöpflicher Ursprung wird in der göttlichen communio nicht ausgelöscht. Gott ist aber so der Gott der lebendigen Beziehung, der Gott, der in sich selbst Miteinander, Gemeinschaft ist. Die Linien des Neuen Testamentes laufen, zusammengelesen, auf diese Botschaft vom dreifaltigen Leben Gottes hin. Wer im Geist unser eigenes Verhältnis zu Vater und Sohn bedenkt, der findet diesen personhaften Heiligen Geist als den Schlüssel und als die Achse des Geheimnisses Gottes und des Geheimnisses unserer Berufung.