Das Konzept der Gemeinsamen Synode

Was kann die Synode und welches ist ihr Ort?

Wenn im Vorhergehenden versucht wurde, ein Konzept der Synode anzudeuten, so kann daraus eine Sorge oder eine falsche Erwartung erwachsen. Die falsche Erwartung liefe darauf hinaus, daß man der Synode zumuten wollte, sie könne alles das, worum es bei einer Übersetzung des Glaubens und der Kirche in die Gegenwart, bei einem Gespräch aller in der Kirche und bei der Formulierung eines glaubwürdigen Zeugnisses für Christus und das Christliche geht, durch ihre eigenen Aussagen leisten. Wollte die Synode solches versuchen, dann gäbe das in der Tat Anlaß zur Sorge. Die Grundworte eines Konzeptes der Synode verweisen nur auf den großen Plan, zu dessen Verwirklichung die Synode selbst einen begrenzten und überschaubaren Beitrag leistet. Doch welches ist dieser Beitrag?

Man kann immer wieder zwei Forderungen für die Synode hören, die einander widerstreiten. Die eine Forderung zielt darauf, die Synode möge sich nicht mit dem Kleinkram von Einzelregelungen in dieser und jener Frage begnügen, sondern sie möge das große Gesamtkonzept einer Pastoral der Zukunft entwerfen und sicherstellen, ja mehr noch, sie möge den Glauben selbst und seine Voraussetzungen in unserer Situation so fundamental neu formulieren, daß er in den Schwierigkeiten unserer Zeit neu als glaubwürdig, neu als des Lebens und Einsatzes aller würdig aufgehen könne. Die andere Forderung: Die Synode möge sich nicht an dem vergreifen, wozu sie in ihrer breiten und komplizierten Anlage gar nicht fähig sein kann, sondern sie möge sich auf das beschränken, was an konkreten pastoralen Maßnahmen heute gemeinsam im Blick auf die Zukunft getroffen werden kann.

Der Verdacht, der sich gegen die erstgenannte Forderung richtet, lautet: Eine Pastoraltheologie, Dogmatik, Moral- und Fundamentaltheologie, die von 300 Synodalen plus beinahe ebenso vielen Beratern verfaßt und verabschiedet würden, wären in ihrer Aussage blasser, allgemeiner, mittelmäßiger als das Werk einiger weniger Theologen es sein könnte. Allgemeine Grundsatzdeklamationen, bei denen es zu bleiben drohte, hätten im Endeffekt zudem wenig konkret verändernde Kraft. Der Verdacht, der sich gegen die zweitgenannte Forderung richtet, lautet: Eine Synode, die hundert und tausend Einzelheiten neu ordnet, die da und dort herumflickt an den Gegebenheiten und Gewohnheiten kirchlichen Lebens, wäre nur eine Beruhigungspille oder ein Trostpflaster angesichts der drängenden Lage des Glaubens und der Kirche, sie wäre geradezu die Ausrede gegenüber einer wirklichen Erneuerung und Sammlung.

In beiden Einwänden steckt Berechtigtes. Vielleicht liegt aber die Lösung darin, daß die Synode sich [20] zwar unmittelbar auf das beschränkt, was sie ehrlich mit ihren Kräften und aus ihrer Struktur heraus vermag: das Setzen konkreter Schritte der Sammlung und Erneuerung angesichts der gegebenen Situation. Doch wenn es gelingt, daß die Synode größer ist als sie selbst, d. h. daß sie hineinreicht in die Vielfalt von Gesprächen, Prozessen und Arbeiten, die auf allen Ebenen und in allen Schichten der Kirche in unserem Land durch sie und auf sie hin in Gang kommen, dann könnte das faßbare Ergebnis der Synode doch die Spitze einer Pyramide sein, die auf wesentlich breiterem und tieferem Fundament steht.

Zweierlei ist hierzu notwendig: Einmal muß die Synode ihre konkreten Ergebnisse und Empfehlungen in einer tiefen und gründlichen theologischen Reflexion jeweils verankern, um nicht in einen billigen und vordergründigen Pragmatismus zu verfallen. Ob dabei die theologische Begründung und Reflexion ihrerseits selbst im vollen Ausmaß durch die Synode unmittelbar verabschiedet werden müssen, darf mit einigen Fragezeichen versehen werden. Zum andern muß aber die Synode auch „delegieren“ können, Aufgaben anderen überlassen können. Es wird nahezu alles, was in unserer Stunde ansteht, auf die Synode zukommen. Sie wird aus dieser Flut von Fragen und Problemen jedoch nicht nur die allerwichtigsten herausgreifen, um sie selbst zu behandeln, sondern sie wird sich immer auch überlegen, welche Fragen – vielleicht sogar gemäßer und richtiger – durch andere Gruppen, Gremien und Organe behandelt werden können, und sie wird hierfür Sorge tragen müssen. Katholikentage, diözesane und überdiözesane Räte, nicht zuletzt die theologische Wissenschaft, aber auch Lehr- und Hirtenamt in sich selbst werden viele Aufgaben wahrnehmen müssen, die im Zusammenhang mit der Synode aufkommen, ohne in die Arbeit der Synode selbst direkt hineinzureichen.

Hier aber erhebt sich eine noch andersartige Frage: Kann die Synode ihre auf solche Weise eingegrenzte und mit anderen Funktionen verschränkte Aufgabe überhaupt erfüllen, oder fehlen ihr die rechtlichen Voraussetzungen dazu? Es sei daran erinnert, daß die Synode drei Arten von Beschlüssen fassen kann: Anordnungen; Empfehlungen; Voten, die an den Heiligen Stuhl weitergeleitet werden, weil sie Gegenstände betreffen, die einer gesamtkirchlichen Regelung vorbehalten sind. Im Fall der Empfehlungen und Voten ist keine eigene Vollmacht der Bischöfe vorgesehen, die einen Beschluß der Synode als solche verhindern könnte. Nur wo es sich um die bischöfliche Gesetzgebung handelt, können die Bischöfe im vorhinein erklären, daß sie sich außerstande sehen, einer evtl. Aussage der Synode den Charakter des Gesetzes zu geben. Ein entsprechender Beschluß der Synode, ist gleichwohl, mit dem Charakter der Empfehlung, möglich. Wenn man an die Dekrete des II. Vatikanischen Konzils denkt, so ist die innere Dynamik von Empfehlungen deutlich; ihr Gewicht ist, bei unserem heutigen Kirchenverständnis zurecht, oftmals nicht weniger stark als gesetzliche Regelungen. Solche sind zweifelsohne in vielen Punkten notwendig. Die Weise, wie die Ausübung der bischöflichen Gewalt ins synodale Gespräch hinein verflochten ist, gibt aber die Möglichkeit und Zuversicht, daß es fast immer zu einem positiven Einverständnis zwischen Bischöfen und Gesamtsynode kommen kann.

Bei derlei Erwägungen darf freilich eines nicht übersehen werden: Die Synode kann wesentlich mehr, als was sie rein rechtlich faßbar erbringt. Wenn es gelingt, daß in ihr ein offener Austausch aller miteinander und ein unverstelltes Sehen der Situation, aber auch ein deutliches Zeugnis des Glaubens und der Liebe geschieht, so geht hiervon mehr Wirkung als von jedem noch so klugen und progressiven Buchstaben eines Dekretes aus. Und in diesem Sinn kann Synode jetzt schon beginnen, als Ereignis gegenseitigen Hörens aufeinander und Sehens miteinander, das auf den Herrn in der Mitte und mit ihm auch auf den letzten seiner Brüder achtet.