Das Konzept der Gemeinsamen Synode
Was soll mit dem zur Synode veröffentlichten Themenkatalog geschehen?
Da in der laufenden Phase der Vorbereitung es besonders um die Findung der Thematik für die Synode geht, so ist es wohl nützlich, zu diesem Punkt noch einige einzelne Hinweise eigens nachzutragen. Mit dem Entwurf zum Statut wurde im vergangenen Herbst auch ein Themenkatalog, den die damalige Studiengruppe erarbeitet hatte, veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Er wird [23] gewiß nicht der endgültige Themenkatalog der Synode bleiben können – daran war auch in keinem einzigen Augenblick gedacht –; gleichwohl bietet er einen Leitfaden zum Gespräch über die Thematik der Synode an. Er soll daher in seiner Anlage hier erläutert werden.
Mit dem Plan, eine Synode aller Bistümer zu empfehlen, stellte sich der Studiengruppe auch die Frage: Worüber soll die Synode sprechen? Auf der einen Seite boten sich grundsätzliche Themen, auf der anderen viele Einzelfragen an. Es wäre – um grundsätzliche Themen zu nennen – vonnöten, daß über Autorität und Mitverantwortung in der Kirche, daß über die Situation des Glaubens in unserer Welt und angesichts der Entwicklungen in Theologie und Profanwissenschaften, daß über die ökumenische Verantwortung, daß über den Gesellschaftsbezug christlichen Glaubens und christlicher Kirche gesprochen würde. Anderseits drängen sich viele Einzelfragen von der priesterlosen Gemeinde, von der Funktion der Laientheologen, vom Zölibat und der Mischehe bis hin zu Fragen des sozialen Engagements der Christen und der Kirche und der gesamtkirchlichen Kooperation in unserer Stunde auf. Sollte man nun nur die wesentlichen, grundsätzlichen Dinge besprechen? Oder umgekehrt auf sie verzichten, damit alle konkreten Fragen geregelt würden? Und wenn man das eine tun und das andere nicht lassen will, wie läßt sich beides miteinander vereinbaren?
Das Ergebnis der Überlegungen sah, wie folgt, aus: Das Gespräch aller mit allen innerhalb der Synode und um die Synode herum ist am wenigsten von einem Sich-Festfahren in ideologischen Allgemeinheiten und bloßen Richtungsgegensätzen bedroht, wenn man über konkrete Dinge miteinander spricht. Hier können alle sich ernst nehmen und annehmen, hier kommen sie in jene Partnerschaft zueinander, die auch ihre unterschiedlichen theologischen Meinungen zum fruchtbaren Gespräch übers Konkrete führt. Es wäre freilich unverantwortlich, die Grundsatzfragen draußen zu lassen. Doch eine allgemeine Deklaration, die sich nicht auch in einzelne und handfeste Lösungen hinein auswirken dürfte, nützte wenig. Es scheint das Richtigste zu sein, wenn man bei den konkreten Gegebenheiten ansetzt, bei ihnen das äußere Gliederungsprinzip des Gespräches sucht, zugleich aber dafür sorgt, daß in allen diesen Einzelfragen und auf allen diesen Einzelgebieten die grundsätzlichen Fragen, um die es geht, mitgesehen, mitberücksichtigt, ja mitbedacht werden.
So entschloß man sich dazu, ein doppeltes Gliederungsprinzip vorzuschlagen: einmal konkret nebeneinander gereihte einzelne Sachgebiete, die jede Frage in einen bestimmten Kontext, in einen übergreifenden Zusammenhang einreihen, innerhalb dessen sie mit verwandten Fragen behandelt werden kann; zum andern durchlaufende Perspektiven, als welche die grundsätzlichen Fragen und Erfordernisse überall im Gespräch und in den Ergebnissen der Synode präsent sein können und sollen. So könnte das äußere Gliederungsprinzip der verschiedenen Sachgebiete zur Grundlage für die zu bildenden Sachkommissionen der Synode gemacht werden, denen die Ausarbeitung der Texte obliegt. In diesen Sachkommissionen müßte freilich personell und thematisch auch jeweils den durchlaufenden Perspektiven Rechnung getragen werden.
Aus diesen grundsätzlichen Überlegungen ging man alsdann daran, alle erdenklichen Einzelfragen „litaneiartig“ nebeneinander zu reihen, die möglicherweise in den Zusammenhang einer gemeinsamen Synode gehören. Dabei war von Anfang an deutlich, daß nicht alle diese Fragen, vielleicht aber einige andere, die im Augenblick nicht gesehen wurden, von der Synode aufzugreifen sind. Doch zweierlei sollte sichergestellt werden. Zum einen sollte auf keinen Fall der Eindruck entstehen, als wolle man durch Vorentscheidung von außen irgendein Problem von der Synode ausklammern. Die Selbstbescheidung der Synode sollte eben eine wirkliche Selbstbescheidung und nicht ein äußeres Beschiedenwerden mit vorgängigen Konzepten bedeuten. Zum andern sollten die vielen Einzelfragen derart in „Fragefamilien“, in einzelne Themenbereiche aufgegliedert sein, daß das einzelne Problem, für das man sich entscheidet oder das neu auftaucht, sofort seinen Ort im Ganzen findet.
Das führte zu der Gliederung in 9 Themenkreise. Fragen der Glaubensverkündigung, Fragen um Gebet, Gottesdienst und Sakramente, die Problematik des geistlichen Amtes und der anderen Dienste in der Kirche, die Wege der Kooperation in der Kirche, gerade etwa die Funktion und Entwicklung der neuen Räte, die pastoralen Strukturen im Wandel unserer Gesellschaft, die Fragen christlicher Verwirklichung im heutigen Leben, die Fragen um Ehe und Familie, die konkreten Dienste der Kirche inmitten unserer Gesellschaft, aber auch die Kooperation in der Gesamtkirche und zwischen den Kirchen, das sind nicht aus irgendeinem System abgeleitete Prinzipien einer theologischen Gliederung, sondern es sind die Zusammenhänge, in welche die vielen Einzelfragen, um die es heute geht, praktisch gehören.
[24] In der bisherigen Diskussion um die Thematik wurden zwar schon mehrere kritische Anfragen an den Themenkatalog im einzelnen, auch etliche Wünsche zu seiner Umgestaltung in diesem oder jenem Punkt laut, doch wurde im ganzen das doppelte Gliederungsprinzip – durchlaufende Perspektiven zum einen und nebeneinander gereihte Themenkreise auf der anderen Seite – grundsätzlich bejaht.
Eine wesentliche Verringerung oder Ausweitung der angebotenen Grundbereiche von Fragen hat sich bislang noch nicht ergeben. Wiederholt wurde bemängelt, daß der Dienst christlicher Liebe erst an vorletzter Stelle in der Aufgliederung der thematischen Bereiche, zudem als Unterabschnitt im Themenkreis Diakonie (Dienst an der Gesellschaft) genannt werde. Den Zusammenhang zwischen dem Grundsätzlichen, der Liebe als Wesensvollzug der Kirche und den konkreten gesellschaftlichen Gegebenheiten zu wahren, dürfte sich indessen aus mehreren Gründen empfehlen; schiebt man jedoch einen Themenkreis, der beides zugleich, Liebe als Wesensvollzug der Kirche und Dienst der Kirche und der Christen an der Gesellschaft, behandelt, an die dritte Stelle, dann erhält der Themenkatalog sogar eine bessere innere Ordnung. Es ginge zunächst um drei Grunddimensionen der Kirche: Glaubensverkündigung – Gottesdienst, Gebet und Sakramente – Liebe und Diakonie; daran schlössen sich, eröffnet durch die grundsätzlichen Fragen nach kirchlichen Ämtern, Diensten und Berufen die strukturellen Fragen an (Wege kirchlicher Kooperation, pastorale Strukturen); es folgten die Fragen der christlichen Lebensgestaltung im allgemeinen und auf dem speziellen Feld von Ehe und Familie; den Abschluß bildeten die Fragen der gesamtkirchlichen und zwischenkirchlichen Kooperation, die über den unmittelbaren Rahmen der Kirche unseres Landes hinausblicken. Derlei Überlegungen sind aber, wie bereits betont wurde, keinerlei Vorgriff darauf, ob und wie die Synode endgültig sich dem gebotenen Themenvorschlag anschließt. Es bedarf vielmehr einer intensiven Arbeit der Verdichtung und der Setzung von Schwerpunkten.
Wie kann solches auch an der Basis geschehen? Ein doppeltes Vorgehen ist möglich.
Einmal kann der Themenkatalog selbst zugrunde gelegt werden für Gespräche und Beratungen, in welchen man gemeinsam überlegt: Worum geht es da jeweils? Ist hier etwas dabei, was mich und uns persönlich überhaupt angeht? Und wenn ja, ist hier eine Aussage der Synode, eine Empfehlung oder Regelung zu wünschen, die für alle Bistümer in der Bundesrepublik gemeinsam gelten sollte? Gehört eine solche Regelung in das hinein, worum die Synode sich Gedanken machen soll, wenn es ihr darum geht, die wesentlichen Schritte gemeinsam zu planen, welche die Kirche in eine dem Herrn und den Menschen gerechte Zukunft führt?
Zum andern ist es aber auch nützlich, hin und wieder genau umgekehrt zu verfahren. Man kann sich ohne Rückgriff auf den Themenkatalog zusammensetzen und fragen: Wo drückt der Schuh? Woran liegt es, daß entweder wir selbst oder die anderen um uns herum keinen lebendigen Kontakt zu Christus und zur Kirche finden oder es doch schwer haben mit diesem Kontakt? Welche Schritte – außer denen, die nur jeder einzelne und die nur die konkrete Gemeinschaft jeweils selbst tun kann – müsste die Kirche im gesamten hier in unserem Land setzen, damit sie der Situation der Vielen gerecht wird und dieser Situation das Evangelium verständlich und lebendig macht? Welche Fragen bedürfen vor allen anderen hier der Regelung? In welcher Rangfolge sehen wir diese Fragen? Nachdem auf solche Weise ein „Katalog“ dessen erstellt wäre, was einmal als dringlich erscheint, könnte im nachhinein der Themenkatalog zur Hand genommen und im Licht dieser eigenen Überlegungen gelesen werden.
Auf solche Weise zur Thematik der Synode eingebrachte Ergebnisse hätten sowohl für jene, die an ihnen arbeiten, als auch für die gesamte Vorbereitung selbst ein bedeutsames Gewicht. Gewiß darf niemand damit rechnen, daß ausgerechnet sein Vorschlag und der allein die Synode bestimmt. Anderseits wäre es ungerechtfertigt, wenn man sagen wollte: Was wir uns hier ausdenken, hat ja doch keinen Einfluß aufs Ganze. Sowohl die Diskussion um das Statut wie auch die bereits angelaufene Diskussion um die Thematik bestätigen, daß durch viele einzelne Beiträge Gewichte im Gesamten neu gesetzt werden können. Kein Beitrag darf freilich vergessen, daß er nicht dazu da ist, sich nur zu behaupten, sondern daß er eben Wort in einem Gespräch ist; so kann er sich selbst nicht rasch als letztes Wort, umso mehr aber als wirksames und lebendiges Wort verstehen und auswirken. Es wird Aufgabe der Synodalbüros sein, für derlei Anregungen zur Thematik auch den Umschlagplatz zu bieten, um sie ins Gesamte einzubringen und fruchtbar fürs Gesamte zu machen.