Der dritte Weg im kirchlichen Dienst
Wechselwirkung zwischen kirchlichem Auftrag und gesellschaftlicher Realität
Zeugnis ist stets „Zeugnis von“ und „Zeugnis an“. So sehr das Bezeugte, der Bezeugte, das Entscheidende, einzig Maßgebende im Zeugnis sind, so sehr gilt doch ebenso: Zeugnis ist Hinwendung zu dem, der das Zeugnis empfangen soll, dem es gilt, Eingehen auf seine Verfaßtheit und Wirklichkeit. Dies erhält seine besondere Dringlichkeit im Zeugnis von Jesus Christus. Er selber ist der uns annehmende und übernehmende Sohn Gottes, er bezeugt Gott im Eingehen auf und in unsere Wirklichkeit. Das Zeugnis der Kirche, auch ihrer Institutionen in der Gesellschaft, ist daher in der Maßnahme am unverfügbaren Zeugnisauftrag Christi zugleich gewiesen an die Gesellschaft, ihre Lebens- und Verstehensbedingungen. Anpassung läßt untergehen in der Egalität; bloße Unterscheidung verharrt in der unerreichbaren, niemand und nichts erreichenden Distanz. Zeugnis ist freilich auch nicht Halbierung, nicht Kompromiß zwischen Distanz und Anpassung. Es trägt vielmehr in sich die Spannung zwischen der Fremde des zu Bezeugenden und der Nähe zum Adressaten des Zeugnisses.
Das hat Rückwirkungen auf das institutionelle Zeugnis der Kirche. Das je Andere und Eigene des Zeugnisses muß sich formulieren, auch institutionell formulieren im Kontext der jeweiligen Zeit und Gesellschaft. Natürlich sind die Organisationsformen, die Inhalte und die Anforderungen nicht auf die gesellschaftlichen Standards hin zu nivellieren, wohl aber ist das, was in diesen Standards an Rechten und Werten des Menschlichen angesprochen ist, eine Herausforderung zur Selbstprüfung im Blick auf die eigenen institutionellen Regelungen und Gestalten der Kirche. Ebenso tut der Mut zur prophetischen Korrektur an dem not, was in der Gesellschaft gang und gäbe ist, aber eine Gefährdung und Minderung des menschlichen Maßes bedeutet.