Das Konzept der Gemeinsamen Synode

Welches sind die einzelnen Schritte der Vorbereitung und Mitarbeit aller?

Wenn die Synode jetzt schon beginnt, wenn sie die Sache aller werden soll, welches ist dann aber der äußere Zeitplan, dem entlang die verschiedenen Schritte der Vorbereitung und Mitarbeit im Blick auf die Synode geschehen müssen? Und welches ist jeweils die konkrete Sache, um die es bei den einzelnen Schritten geht?

Man könnte das Gesamt der Begleitung des synodalen Geschehens durch Gespräch und Mitwirkung aller in drei Phasen aufteilen, die unter jeweils verschiedenen Stichworten stehen.

[21] Die erste Phase dauert bis zur konstituierenden Sitzung der Synode, die zu Beginn des kommenden Jahres vorgesehen ist. Die Fragen, die dieser Phase aufgegeben sind, lauten: Welches ist die Situation, in welche die Arbeit der Synode hineintrifft und die sie zu bewältigen hat? Und worüber muß auf der kommenden Synode gesprochen werden, damit sie dieser Situation gerecht wird?

Die zweite Phase dauert von der konstituierenden Sitzung bis zur Veröffentlichung von Vorlagen für die Synode durch die Sachkommissionen – jede Kommission muß ja ihre Arbeitsergebnisse zuerst veröffentlichen und zur Diskussion stellen, ehe sie in den verschiedenen Lesungen der Vollversammlung der Synode alsdann behandelt und beschlossen werden. Die Frage, unter der diese zweite Phase steht, lautet: Was soll die Synode zu den Themen sagen, für die sie sich entschlossen hat? Es geht um die Mitarbeit an der Findung der gemäßen Aussagen der Synode.

Die dritte Phase wird die Reihe der Vollversammlungen der Synode selbst begleiten und bis zum Abschluß der Synode dauern. Hier kommt es darauf an, nicht mehr nur den Beitrag der eigenen Meinung zu den Gegenständen der Synode zu formulieren, sondern Verständnis und Ernstnehmen anderer Meinungen, Gespräche mit anderen Meinungen zu pflegen und konstruktiv zu fragen, was aus Ergebnissen der Synode Fruchtbares zu machen ist.

Wenn man – nicht ganz gemäß, aber auch nicht ganz verfehlt – die drei genannten Phasen einmal „pädagogisch“ auswertet, dann geht es in ihnen um ein dreifaches Lernen, das alle in der Kirche unseres Landes auf sich nehmen müssen. Das Lernen in der ersten Phase heißt: Die Situation sehen lernen und angesichts der Situation Fragen stellen lernen, die nicht nur dem eigenen Geschmack und der eigenen Laune, sondern dem entsprechen, was auf Zukunft hin und was aufs Ganze hin nottut. Das Lernen in der zweiten Phase heißt: lernen seine eigene Meinung zu einer Frage so zu sagen, daß sie zwar meine Antwort auf die Frage enthält, aber nicht nur eine Antwort für mich, sondern eine Antwort, die im ganzen verstanden werden und im ganzen weiterhelfen kann. In der dritten Phase wird uns das vielleicht entscheidendste Lernen auferlegt: hören lernen auf die Meinung anderer, lernen damit zu rechnen, daß eine Meinung, die nicht die meine ist, mir etwas zu sagen hat, lernen seine eigene Meinung auch zu verschenken, lernen auf den Einen zu hören, der von uns allen verlangt, mehr aufeinander als nur auf uns selbst und im Aufeinander gerade auf ihn zu hören.

Geht man von den drei genannten Phasen aus, so stehen wir in der ersten, und sie zumal verlangt im Augenblick von uns noch konkretere Überlegungen. Die Stichworte lauten, wie gesagt, Erhebung der Situation und Vorentscheid über die Thematik der Synode. Einen der Schritte, um die Situation zu erkennen, setzen Befragungsaktionen, die im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz durchgeführt werden. Auf einläßlichere Darstellung des Sinnes dieser Befragungen kann verzichtet werden. Beim Fragebogen, der sich an alle Katholiken wendet, geht es nicht zuletzt darum: Alle sollen sich persönlich in ihrem Milieu, in ihrem Zuhause angesprochen wissen als solche, auf deren Meinung, auf deren Wunsch und Frage es bei der Synode ankommt. Das „genauere“ Ergebnis einer vielschichtigen und aufgegliederten Analyse der Situation wird zweifellos die Repräsentativbefragung erbringen, welche die Allgemeinbefragung absichert und erweitert. Gleichwohl ist die volle Auswertung der allgemeinen Befragung wichtig – auch deshalb, weil auf diese Weise eine einzigartige religionssoziologische „Datenbank“ für weitere, regional aufgefächerte Gänge der Auswertung entsteht. Gerade für den Bereich einzelner Diözesen könnte hierauf zurückgegriffen werden.

Es wäre indessen bedauerlich, wenn der Fragebogen, der an alle geht, seine Funktion damit schon verloren hätte, daß er ausgefüllt, abgeschickt und ausgewertet wird. Er könnte in den einzelnen Gemeinden, Räten, Gruppen und Verbänden Ansätze für eine weiterbohrende Situationsanalyse bieten. Nachdem der Fragebogen, ohne Beeinflussung von außen, ausgefüllt und abgeschickt ist, könnten seine Fragen gemeinsam durchbesprochen werden: Was steckt hinter ihnen? Warum wird nach so etwas gefragt? Wie und warum haben verschiedene ihn verschieden ausgefüllt? Welche verborgenen Grundhaltungen stecken hinter unterschiedlichen Antworten und Antwortangeboten? Solches könnte dem Sehenlernen der Situation dienen. Und wenn man kritisch darauf käme, daß die oder jene fundamentale Seite der Situation im Fragebogen nicht erfaßt ist, so könnte dies artikuliert, mitgeteilt, für die Synode fruchtbar gemacht und dem jeweiligen Synodalbüro mitgeteilt werden.

Der Kenntnis der Situation kann freilich mit der Fragebogenaktion und Repräsentativbefragung allein noch nicht Genüge getan sein. Auch die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung über die [22] Pfarrgemeinderäte, die derzeit im Auftrag der Kommission der Deutschen Bischofskonferenz für Laienfragen durchgeführt wird, und einer von der Bischofskonferenz ebenfalls geplanten Umfrage bei den Priestern können das Bild ergänzen und erweitern, können neue Tangenten von anderen Seiten an die eine und selbe Situation der Kirche legen.

Eng verflochten mit der Erhebung der Situation ist die andere Aufgabe unserer „ersten Phase“: die Frage danach, welche Thematik die Synode behandeln soll. Eine nicht nach isolierten Einzelfragen, sondern nach Fragegruppen gegliederte Möglichkeit, hier Schwerpunkte zu setzen, bietet ja der allgemeine, an alle versandte Fragebogen. An Hand des Themenkatalogs, der im September 1969 veröffentlicht wurde, oder auch unabhängig von ihm, könnte außerdem überall in Gemeinden und verschiedenen Gruppen die Frage nach der Dringlichkeit von Themen für die Synode durchbesprochen werden. Worauf kommt es eurer Meinung nach an, wo wäre eine gemeinsam gegebene Antwort oder Regelung fällig? Wenn die Synode nur 5 oder 10 Themen herausgriffe, welches wären eurer Meinung nach die wichtigsten, und in welcher Rangfolge bedürften sie der Behandlung? Solche Fragen stellen, aber auch solche Fragen besprechen und begründen lernen wäre ein Ziel der Arbeit überall, das einerseits der Synode zugute kommt, anderseits aber über den konkreten Anlaß auch hinausweist.

Wie aber wird die Synode selbst ihren Entscheid über die Thematik fällen können? Die Ergebnisse der Umfrageaktionen müssen auch mit der Meinung von Fachleuten verglichen werden; zugleich werden fortlaufend die Eingaben und Anregungen, die von vielen Seiten zur Thematik geäußert werden, innerhalb der Vorbereitungskommission mitbedacht. Sie hat eine eigene Unterkommission zu diesem Zweck errichtet, und was bislang an Meinungsäußerungen laut wurde, hat bereits auf ihre Überlegungen wichtigen Einfluß geübt; es fließt über sie in die Meinungsbildung der gesamten Kommission ein. Diese trifft zwar keine Entscheidungen über die Thematik der Synode, bereitet aber das vielfältige Material von Anregungen, Eingaben, Wünschen und Analysen so auf, daß die Vollversammlung der Synode in Kenntnis der Erwartungen, Wünsche und Gegebenheiten, die auf sie zukommen, darüber entscheiden kann, was sie zum Gegenstand ihrer Behandlung glaubt machen zu sollen. Die Ergebnisse der Umfragen, die Ergebnisse allgemeiner Meinungsäußerungen und Vorschläge und die Ergebnisse der eigenen Überlegungen innerhalb der Vorbereitungskommission werden von dieser selbst, soweit möglich, bereits miteinander konfrontiert werden. Die Vorbereitungskommission wird sich auch schon mit der Frage befassen müssen, welcher einzelnen Sachkommissionen die Synode selbst vermutlich bedarf, um das von ihr beschlossene Arbeitsprogramm ausführen zu können.

Es wäre müßig, wollte man schon jetzt Einzelheiten über die Mitarbeit aller in der zweiten und dritten der aufgezeigten Phasen des synodalen Geschehens entfalten. Wenige Hinweise sollen genügen. Wichtig erscheint es, daß nach Beschluß über die zu behandelnde Thematik und nach Bildung der Sachkommission das Interesse an der Synode nicht erlahmt; vielmehr sollten Gruppen und Kreise, Verbände, Räte und Gemeinden sich der Frage stellen: Wo liegen nun die Gesichtspunkte, die zu einer gemäßen Aussage der Synode über diese konkreten Themen berücksichtigt werden müssen, damit diese Aussagen auch die Situation von heute und mehr noch von morgen treffen? Diesen Beitrag zu formulieren und ihn über die diözesanen Synodalbüros den Organen der Synode, aber auch unmittelbar den Synodalen und den Beratern zuzuleiten und das Gespräch mit ihnen zu suchen, tut not, damit die Synode zur Synode aller wird. Ähnliches gilt, sogar in verstärktem Ausmaß, auch für die Texte, die als Arbeitsergebnisse von den Sachkommissionen veröffentlicht und zur Diskussion gestellt werden.

Im ganzen wird man schon heute sagen können, daß es in der Kirche unseres Landes noch nie einen Prozeß gab, der so sehr das Reden aller miteinander, das Hören aller aufeinander, das gemeinsame Beraten und Bedenken derselben Anliegen und derselben Fragen förderte, wie dies bei der gemeinsamen Synode der Fall ist. Sie kann im Gespräch, im gemeinsamen Lernprozeß, aber auch in der Gemeinschaft des Gebetes und des gemeinsamen Einsatzes zu etwas wie den größten Gemeinschaftsexerzitien der Kirche in unserem Land werden. Wenn dies gelingt, wenn nicht viele Gruppen sich in sich verkapseln oder in trägem Desinteresse verharren, so wäre der Weg zu Erneuerung und Sammlung, zu lebendiger, frei entfalteter Einheit der Kirche hiermit beschritten.