Philosophisch-Theologische Reflexionen zum Thema: „Unsere Verantwortung für die Welt von morgen“

Welt als Schöpfung

In einem sechsten Gedankenschritt darf ich ein kurzes theologisches Intermezzo einschieben. Es ist eines der kühnsten und ungeheuerlichsten Dinge, die in der Religionsgeschichte der Menschheit [25] und überhaupt in der Geistesgeschichte der Menschheit passiert sind, was uns da in der Bibel in den beiden Anläufen des Anfangs der Genesis berichtet wird, daß von einem Gott die Rede ist, der aus Nichts schafft, der das Andere nicht als bloße Extrapolation des Menschen, aber auch nicht als die Formung einer vorgegebenen rätselhaften, widergöttlichen oder ungöttlichen Gegenmacht begreift, sondern als Gegebenheit. Gott macht, daß Anderes ist. Und er gibt es dem Menschen in die Hand, nicht, daß er bloß damit umgehe, aber auch nicht, damit er sich dem versklave, sondern damit er gestalte und verdanke und daran lerne, daß, indem ihm alles gegeben ist, er sich gegeben ist und sich nicht selber vermag. Freiheit, Selbstvollzug, alles gestaltend, ist zugleich Antwort, die sich in die Welt, die vorgegeben ist, einbringt und sich ihr aufprägt, die aber zugleich dieses Andere empfängt und weiß, daß dieses Andere in seiner Gegebenheit nie rein vermarktbar und verwertbar ist: Gegebenheit, aber als positive Aufgegebenheit. Dies ist jene christliche Sicht von Welt, in der das Andere als Anderes Fülle, Rätsel, aber mehr noch Wunder bleibt, das uns provoziert und einlädt zu gestalten, aber das es uns unmöglich macht, es einfach nur wegzuarbeiten in ein Mit-sich-allein-Umgehen, in eine Einsamkeit und Alleinigkeit. Es ließe sich breit ausmalen, in vielen Farben und Facetten. Interessant etwa, wie gerade im Alten Testament diese Schöpfungsberichte in das Buch des Bundes, in das Buch des Gesetzes eingefügt sind, wie also diese Reflexion auf den Ursprung von Himmel und Erde aus dem lebendigen Leben mit dem lebendigen Gott kommt, der Himmel und Erde gemacht hat. Der Mensch, der ganz und mit ganzem Herzen Gott antwortet, wird gerade in dieser Totalität seines religiösen Bezugs auch in eine Weltlichkeit freigesetzt, wie es sie bislang nie gab, in eine Freiheit von Weltangst, in eine Freiheit zur Weltgestaltung, wie es sie eigentlich nur hier gibt. Eine Frage, die ich hier nicht beantworten kann, die ich hier nicht aufarbeiten kann: Haben die platonischen Momente oder die christlichen in der abendländischen Geschichte die Überhand behalten? Was ist eigentlich mächtiger geworden, die Angst vor dem Anderen, die dann sozusagen zum verzweifelten Ansinnen, alles zu bewältigen und in den Griff zu bekommen, führt, oder jene schöpferische Freisetzung vom Glauben an den Schöpfer?