Philosophisch-Theologische Reflexionen zum Thema: „Unsere Verantwortung für die Welt von morgen“

Welt als Weltgespräch

Ich muß indessen jetzt in einem dritten von acht Gedankenschritten zur Welt noch einmal eine Anfrage stellen an mein Ausgangsmodell „Mir bricht eine Welt zusammen“. Dieses Ausgangsmodell scheint mir nützlich, aber es scheint mir nicht erschöpfend zu sein; denn ich habe hier von einer Welt gesprochen, und ich habe hier von mir gesprochen. Ich habe reduziert auf meine Welt. Ist aber meine Welt schon die Welt? Passierte es nicht öfters, daß der Weltuntergang nicht total stattfand, wenn einem eine Welt zusammenbrach? Ist die Welt nicht größer als jene Welt, die einem einzelnen zusammenbricht? Welt als die Welt hat etwas zu tun nicht nur mit „Alles“ und „Ich“, sondern mit „Alles“ und „Alle“. Alles und alle gehören dazu, daß die Welt stattfindet. Nicht nur das einzelne Ich, sondern „Ich“ umfangen von allen „Ichs“ im Zusammenleben mit allen. Die Welt ist die Welt nicht nur für ein einzelnes Ich, sondern für die vielen und die ursprünglichen und je einzelnen Ichs; sie ist jenes, in dem sie miteinander leben. Erst wenn dieses Miteinander gesehen wird als der Raum, in dem Welt aufgeht, erst wenn wir diese drei Kugeln sehen: Ich lasse alles und alle aufgehen – alle und alles lassen mich aufgehen – wir lassen einander und unsere Welt gegenseitig und in die eine Welt aufgehen, erst dann haben wir einen Begriff von „der“ Welt. Es ist komplizierter, aber es ist unerläßlich, um die Welt zu bedenken. Und wenn wir diesen komplizierten Zusammenhalt nun ein wenig deutlicher sehen wollen, dann können wir es vielleicht im Verhältnis von meiner Welt und der Welt an folgender einfacher Formel sehen: Das Viele, das ist je in einem Menschen zusammengefaßt und geeint. Alles Viele hängt in Einem zusammen. Jeder einzelne, auch der naivste einzelne, auch der primitivste einzelne hat eine Welt, hat ein Ganzes, er verhält sich, indem er dies und jenes tut, zum Ganzen. Alles geht auf in der Haltung, der Meinung und den Verhaltensweisen des einzelnen. Das Eine, das Ganze, das Viele geht auf im Einen. Aber da gehört das Andere genauso hinzu. Das ist die zweite Seite, die neue Seite, die ebenso konstitutiv ist: das Eine derselben Verhältnisse, desselben Weltgefüges, derselben Dinge und Relationen geht auf im Vielen. Und genau das ist der springende Punkt: Das eine, im Grunde unteilbare Schicksal des Ganzen ist Schicksal eines jeden [22] einzelnen, das sich sovielmal reproduziert, wie Menschen da sind; das eine Erleben wird unendlich vielmal erlebt, das eine Schicksal trägt unendlich viele Schicksale, das eine Geschehen ergibt viele Perspektiven und Ansichten, die sich gegenseitig austragen und die noch einmal von jedem einzelnen zu tragen sind. Deshalb ist Welt nur da in je stattfindendem, wenn auch verborgenem Weltgespräch. Nur in diesem Weltgespräch hat Welt ihre Einigkeit.