Wie als Priester heute leben?

Wichtiger ist der Dienst des Gebetes und des Wortes als der Dienst an den Tischen.

Eine seit den Tagen der Urkirche oft genug wiederholte Rangfolge (vgl. Apg 6,1–7). Ihr Sinn liegt darin, daß jede kirchliche Horizontale – so unverzichtbar grundsätzlich die Horizontale für die Kirche ist – ohne die Vertikale schal und überflüssig wird. Die Priorität sagt nicht nur etwas über die proportionale Zeiteinteilung – Gebet und „andere“ Arbeit (nicht nur!) –, sondern über die Durchdringung aller Arbeit (bzw. wenn es zuerst auf das Sein ankommt: der ganzen Person) mit der Vertikalen. Deshalb wäre es auch höchst bedenklich, wenn der Priester die Feier der Sakramente als eine Aufgabe ansähe, bei der seine Person sowieso nicht originell eingefordert ist. Und dieses Mißverständnis könnte auch einiges ans Licht bringen, was gelegentlich über das „agere in persona Christi“ gedacht wird.

Die Priorität des Gebetes vor „horizontalen“ Aufgaben wäre aber auch dann gründlich verkannt, wenn die Vertikale als Mittel zum besseren Erfolg eingesetzt würde: Es geht darum, für den Gott frei zu sein, der nicht nur Mittel zum Heil der Welt ist, sondern der in seiner Größe über alles hinaus, was Welt ist und wir darin sind, einfach als er selbst Heil der Welt, Heil für uns ist.

In diesem Sinne also ist es zu verstehen und gilt es: Wichtiger ist der Dienst des Gebetes und des Wortes als der Dienst an den Tischen.

Es heißt also nicht: Diakonia, Bruderdienst wird abgewertet im Verhältnis zu Martyria und Leitourgia, zu Verkündigungsdienst und sakramentalem Dienst. Und es heißt auch nicht, daß der Priester das konkrete Dienen und Helfen einfach anderen überlassen kann, daß er sich keine schmutzigen Hände in der Alltäglichkeit des Lebens zu machen braucht.

Doch trotz solcher Klarstellungen bleibt [8] die Rückfrage: Stimmt das? Ist nicht gelebte Liebe das Zeugnis, ohne welches Wort und Gebet kraftlos und unglaubwürdig bleiben? Ganz gewiß. Aber Wort und Gottesdienst als das „automatisch“ Wirkende zurückzustellen hinter praktischen Aktivitäten, sich in das Vielerlei des Organisierens und Verwaltens, in die eindrucksvolle Fülle des prall besetzten Terminkalenders zu flüchten, das kann nicht die Lösung sein. Es sei keineswegs unterstellt, daß jemand dies aus purer Laune tue. Sehr oft bleibt auch dem, der noch so leidenschaftlich für Wort und Gebet sich einsetzt, nichts anderes übrig, als sich auf den Anruf des hier und jetzt völlig unplanmäßig Notwendigen einzulassen.

Doch wo die Termine, die noch so guten und wichtigen, den Vorrang auf Dauer vor „Wort und Gebet“ gewinnen, da wird auch jene Liebe, jene inkarnatorische Kraft des Abstiegs Christi in die Knechtsgestalt nicht mehr spürbar in dem, was der Priester tut. Damit seine Diakonie, damit sein konkreter Einsatz Zeugnis der Liebe bleibt, braucht es die immer neue innere Verankerung seines Dienstes und seiner Existenz im Leben aus dem Wort und im Leben beim lebendigen Herrn. Wir können uns auf dem Tabor keine Hütten bauen. Aber wir sollten uns deswegen nicht den Aufstieg sparen. Sonst fehlt auch die Kraft zum Abstieg, und wir verlieren uns im Flachen der Ebene.