Wie als Priester heute leben?
Wichtiger ist, die Mitarbeiter geistlich zu begleiten, als möglichst viele Arbeiten selbst und allein zu tun.
In den jetzt anstehenden Prioritäten kommen einige Fallbeispiele für den Priester, der entscheiden soll, was er guten Gewissens jetzt tun soll und was er unter den Tisch fallen lassen darf:
Vermutlich müssen wir alle an dem zunächst genannten Punkt der geistlichen Sorge um die Mitarbeiter sehr entschieden umdenken. Da wird auch ein Ansatzpunkt für Strukturwandlungen liegen, die hier nicht Thema sind. Aber Voraussetzung für einen Wandel, der sowohl der Kirche gut tut als auch die Berufsfreude des Priesters heben kann, ist wohl die Einsicht in eine „organische“ Ausübung des Dienstes, bei dem gerade die Organe als das genommen werden, was sie sind: nicht Instrumente mit einer Zweckfunktion, sondern Gläubige, die in ihrem Arbeiten für die communio darauf angewiesen sind, selbst – als die persönlichen Menschen, die sie sind – in die communio einbezogen zu werden. Wohlgemerkt: nicht Organe des Priesters, sondern Organe Christi, seines Leibes, mit dem Priester.
Doch gerade deshalb steht es auch dem Priester an, sich zu bescheiden, nicht alles zu tun, sondern das, was ihm organisch zuwächst – und seine Sorge um das Ganze von Gemeinde ist zumal Sorge um die Organe, daß sie zusammenspielen, daß sie [9] an sich selber gesund und kräftig bleiben und aus dem Geist her Kraft finden, ihren Dienst zu tun.
Darum also: Wichtiger ist, die Mitarbeiter geistlich zu begleiten, als möglichst viele Arbeiten selbst und allein zu tun.
Und doch: Darf das so stehenbleiben? Wird hier der Priester nicht in eine Rolle gedrängt, die weder ihn erfüllt noch den Erwartungen entspricht, die von den Gemeinden an ihn gerichtet werden? Also: Der Priester fernab vom Alltag der Gemeindemitglieder, nicht mehr unmittelbar erfahrbar in der Begegnung, im Besuch, bei den Kranken, in der Schule – dafür stets in Dienstbesprechungen, bei Gremien, im Zirkel der beruflichen oder ehrenamtlichen Insider des Gemeindebetriebs? So gewiß nicht. Und doch Mut zur Beschränkung. Es ist gut, daß er nicht alles allein und selber machen kann. Es ist gut, daß es viele gibt, immer mehr gibt, die mittragen und mittun. Doch dieses Miteinander darf nicht ein synchronisiertes Nebeneinander sein. Kompetenzverteilung tut not; aber Rückzug auf die eigenen Kompetenzen und Funktionen – und im übrigen mag jeder sehen, wie er seinen Dienst tut und mit ihm fertig wird: das ist nicht jene communio, auf die alles zuwachsen soll. Dienst an den Diensten, geistliches Begleiten, Annehmen und Ernstnehmen der Mitarbeiter und nicht nur ihrer Mitarbeit, dies ist eine Priorität priesterlichen Dienstes. Und es ist eine durchaus priesterliche Priorität.
Sich geistlich anfordern lassen von den Mitarbeitern, durch sie und mit ihnen die Nöte und Fragen aller im Herzen tragen und zum Herrn hintragen: solches will zwar Schritt um Schritt erlernt werden; aber wenn es angestrebt und bejaht wird, ist es nicht nur neuer Anspruch, sondern auch Hilfe für die priesterliche Existenz. Also nicht: Abschied von der „Basisarbeit“, aber ein Ja dazu, daß der Priester nicht alles tun kann und daß andere mit ihm Gemeinde aufbauen und begleiten. Der Dienst an den Mitarbeitern drängt den Priester in jene Mitte, die nicht er selber ist, sondern die ein anderer ist, jener, von dem er leben und Leben weitergeben soll.