Wie als Priester heute leben?

Wichtiger ist Handeln in Einheit als noch so perfektes Handeln in Isolation. Also: Wichtiger ist Zusammenarbeit als Arbeit, wichtiger communio als actio.

Man könnte noch schärfer formulieren: „Das weniger Vollkommene, das in Einheit geschieht, ist besser als das Perfektere, das isoliert getan wird“. Wenn man will, kann man das missverstehen – als Flucht in das bergende, warme Nest der ebenfalls Ratlosen und unter der eigenen Unzulänglichkeit Leidenden. Aber gerade wenn dieses Zerrbild deutlich dagegengestellt wird, mag klar werden, was hier gemeint ist: Die Überwindung der Isolation, die, sei es als Schwäche, sei es als Überheblichkeit, das Vertrauen aushöhlt. Cooperatio nicht aus Ich-Schwäche, sondern als Folge der aus der Freundschaft mit Christus gewonnenen Sympathie an den anderen Freunden.

Jesus hat nie nur „getan“. Er hat immer auf den Vater geschaut, er hat immer mit dem Vater getan. Und dieses Mit ist seine, ja ist Gottes innergöttliche Lebensart. An ihr gibt uns Jesus Anteil. Der, den er sendet, muß durchaus auch die Nacht der Einsamkeit durchstehen – aber so wie Jesus es tat, der sich nicht auf sich selber zurückzog, sondern in dieser Einsamkeit die tiefste Einheit mit dem Willen des Vaters und die innigste Gemeinschaft mit uns lebte, deren Schuld und Not bis hinein in die Gottverlassenheit er teilen, stellvertretend tragen wollte.

Die Gemeinschaft mit Jesus aber ist von allem Anfang an Gemeinschaft mit denen, die in derselben Sendung und Nachfolge stehen. Das Mit, das Jesus und den Vater im Geist aneinander bindet, bindet uns unteilbar an ihn und aneinander im selben Heiligen Geist. Daher also: Wichtiger als actio ist communio, Zusammenarbeit als Arbeit; wichtiger Handeln in Einheit als noch so perfektes Handeln in Isolation.

Das „Ja – aber“ legt sich hier besonders drängend nahe. Ist es nicht schlechter Stil, sich heute hinter der gemeinsamen Verantwortung zu ducken, um die eigene nicht mehr wahrnehmen zu können? Sind Gremien und Konferenzen nicht der allzu dünne Schleier, der Entscheidungsschwäche und Konzeptionslosigkeit kaum verhüllt? Braucht es nicht die mutigen Schritte der je Einzelnen, wenn überhaupt etwas geschehen und in Bewegung kommen soll?

Wenn wir es tief genug verstehen, dann ist solcher Appell an den unvertretbar Einzelnen kein Gegensatz zur genannten Priorität, aber auch nicht ihre Abschwächung in einen dünnen Kompromiß.

Die Sache ist freilich nicht einfach. Aber lassen wir uns einmal ein auf die Weise, wie Jesus seine Einheit mit dem Willen des Vaters gelebt hat, lassen wir uns ein auf sein Ringen mit den Jüngern und sein Führen der Jünger zur Einheit. Lassen wir uns ein auf die Leidenschaft eines so eigengeprägten und mutigen Mannes wie Paulus für die Einheit des Geistes in den Gemeinden. Dann werden wir entdecken, daß unser Ringen um eine ganze Einheit – auch und gerade dort, wo dies schmerzliche Geduld, Rückschläge, ja Wunden mit einschließt –, uns in die Mitte des Evangeliums, in die [12] Mitte priesterlicher Existenz und Sendung führt.

Wo wir das Miteinander höher stellen als die eigen-willige Perfektion, dort bezeugen wir, was wir bekennen: Ich glaube an die eine Kirche.