Wie als Priester heute leben?
Wichtiger ist, was in mir Christus tut, als was ich selber tue.
Das ist eine unmittelbare Fortsetzung der ersten Priorität. Man muß diese Gewichtung mit dem Primat des Glaubens im Leben des Priesters zusammensehen: der Glaube als Lebensform, der den Priester mit allem, was er ist und nicht ist, zur Hohlform werden läßt. Das „agere in persona Christi“ (Handeln in der Person Christi – also z. B. wenn der Priester sagt: „Das ist mein Leib“, und es ist Christi Leib) hat in unserer Sakramentenlehre den Akzent einer Vollmacht, die kein Mensch aus sich haben kann. In seiner existentiellen Fortsetzung führt „agere in persona Christi“ aber gerade zu dieser Hohlform, die nicht Verflüchtigung und Bedeutungslosigkeit des eigenen Einsatzes, sondern „Da-Sein“ als Verfügbarkeit bedeutet: „Liebst du mich?“ „Du weißt, daß ich dich liebe“ (vgl. Joh 21,15–17) – übrigens auch als ständige neue Bereitschaft, trotz eigenen Versagens dem Herrn zur Verfügung zu stehen.
In diesem Sinne also: Wichtiger ist, was in mir Christus tut, als was ich selber tue.
Aber stimmt das? Ist das nicht gefährlich, sein Tun und mein Tun auseinanderzureißen? Kann man das trennen: Er in mir – und ich aus mir? Hat er denn in dieser Geschichte, im Jetzt und Hier andere Hände als die meinen, als die unseren? Haben wir nicht die Zielvorgabe, Motivvorgabe, Kraftvorgabe Evangelium – und dann müssen wir ans Werk, mit unserem rationalen [5] Planen, mit unserem Einsatz? Rückgriff dauernd und direkt auf ihn, gar auf ihn in uns: ist das nicht Mystizismus?
Gegenfrage: Wenn wir dabei stehenblieben, daß es nur unsere Sache ist, nur unser Wirken, durch die Christi Wirksamkeit „operationalisiert“ wird, dann wäre die einzige Konsequenz der Dauerstreß. Und im Grunde bliebe es so, auch wenn wir viel mehr wären und viel mehr täten. Wir gingen immer in den zu großen Schuhen des Heilswillens Gottes für alle – und wir erreichten nie alle; oder jene, die wir erreichten, nie bis in jene Tiefe, in welcher Christus sie erreichen will. Die Leidenschaft für alle, die Leidenschaft für das Ganze gehört ganz gewiß hinzu. Und sie darf und muß uns verbrennen, sie darf und muß uns alles abfordern. Aber alles nicht in Krampf und Ängstlichkeit, sondern alles in jenem Vertrauen und jener Gelassenheit, durch die er hindurchstrahlt. Er kann einfach mehr als wir. Und wir sollen Zeichen dafür sein, daß er mehr kann, als wir können. Wir tun immer zu wenig, und das können wir nie aufholen. Aber dieses „zu wenig“, das wir sind, wird zum Glasfenster, durch das sein Licht hindurchscheint. Die Grenzen annehmen und dabei wissen, daß er Grenzen überschreitet, überwindet. Alles tun, wissen, daß es zu wenig ist – und das im Vertrauen verschenken an ihn: gerade so werden wir Zeugen für ihn sein.
Übrigens: Wir werden wohl nur so die Kraft finden, uns nicht in einem bloß objektivistischen Verkündigungs- und Sakramentenservice zu erschöpfen, wir werden uns selber so ganz hineingeben, wie wir sind, in das, was wir tun. Aber zugleich werden wir im Vertrauen darauf, daß er sich hineingibt in sein Wort und in sein sakramentales Wirken, auch die Kraft finden zur Nüchternheit, zur Bescheidung, zu jenem im guten Sinne „objektiven“ Dienst, der nicht im Moralisieren und Überreden und Beeindruckenwollen sich verkrampft.
Also doch: Wichtiger ist, was in mir Christus tut, als was ich selber tue.