Wie als Priester heute leben?
Wichtiger ist, wie ich als Priester lebe, als was ich als Priester tue.
Von Papst Johannes XXIII. wird die treffende Geschichte erzählt, bei einem Problem, das ihn furchtbar quälte, habe er im Traum die Weisung empfangen: „Johannes, nimm dich doch nicht so wichtig“. Ob von ihm erfahren oder über ihn erfunden: das Beispiel zeigt u. a. auch eine Allergie gegen Monumentalbilder von der eigenen Person und Aufgabe, die uns einleuchtet und bei Mitbrüdern auf lebhaften Widerhall stößt. Auch gegen Worte über das Priestertum, die uns vom Menschlichen her ein paar Nummern zu groß scheinen, reagieren wir empfindlich...
Die Wertung „Wichtiger ist, wie ich als Priester lebe, als was ich als Priester tue“ kann als schlichte Selbstverständlichkeit empfunden werden – gerade gegen ein gespreiztes Sich-selbst-wichtig-Nehmen. Aber einer, der an seiner eigenen Person leidet, kann davor auch erschrecken: „Wie ich lebe“ ist eine Totalvereinnahmung!?
Hier wird für den Priester die Unterscheidung der Geister zur Grundbedingung: „Wie ich lebe“ ist nicht das Programm von Selbstverwirklichung, sondern: „Mit Christus bin ich gekreuzigt. Ich lebe, doch nicht mehr als Ich, sondern Christus lebt in mir ...“ (Gal 2,19f.).
„Wie ich lebe“ kann mir so zu einem sehr unkomplizierten, schlichten, demütigen Verhältnis zu mir selbst verhelfen. Aber ich darf mich nicht an der Stelle drücken, wo ich von dem ergriffen bin – „gepackt“ übersetzt Heinz Schürmann1 –, für den kein Wort groß genug ist. Schürmann sieht das von Christus Gepackt-Sein Paulus zugeordnet, der sich als Sklave (nicht nur Diener!) Christi weiß. Vielleicht gehört diese Selbsteinschätzung als Sklave Christi auch notwendig zur ehrlichen und lebbaren Freundschaft mit Christus.
In diesem Sinne also: Wichtiger ist, wie ich als Priester lebe, als was ich als Priester tue.
Aber stimmt das? Ist Priestertum nicht Dienst für andere? Wird er in diesem Satz nicht umgekehrt zu einem Mittel für die persönliche Heiligung? Und soll meine Heiligkeit, soll mein persönliches Lebenszeugnis mehr bewirken als das, was mir in Botschaft und Sakrament anvertraut ist? Kommt es nicht in allererster Linie darauf an, meine Pflicht zu tun – und im übrigen sind wir alle doch Sünder? Wir sind es. Und Christus in mir und durch mich hindurch und über mich hinweg – wir werden gleich davon hören –, das ist mehr als nur mein Zeugnis und mein Leben. Aber was Christus sagt und wirkt, was ich von ihm weiterzugeben habe, das ist eben Leben, sein Leben. Und dieses Mehr seines Lebens wird nur glaubhaft, wenn es Leben ergreift, Leben stiftet, Leben ansteckt. Und da muß ich der erste sein. Das hebt die Spannung zwischen meiner Armseligkeit und meinem Auftrag keineswegs auf, ganz im Gegenteil. Aber wenn ich diese Span- [4] nung aushalte und immer wieder an ihn verschenke, dann kann gerade auch meine Armseligkeit zum Zeugnis werden, von innen her verwandelt werden. So können wir es ja auch an Paulus ablesen. Christ sein – und auch das Sein des Priesters – ist Dasein für andere. Aber Christus ist da für andere, weil er ganz vom Vater her lebt, da ist vom Vater her. Und so führt auch uns kein Weg daran vorbei: Dasein von Jesus her. Willst du Strahl der Sonne werden, der von ihr ausgeht in die Welt, dann geh in die Sonne hinein. „Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten ...“ (Mk 3,14). Das ist immer neu der Lebensrhythmus: bei ihm sein, um von ihm gesandt zu werden.
Das heißt aber praktisch: Der Priester braucht Zeit zum Sein, Zeit zum Gebet, zur Umkehr, zur Buße und Beichte. Er braucht Zeit, um über Gott und sich und die Menschen nachzudenken. Sonst wird er „Pastoralingenieur“. Und je mehr wir zu tun haben, desto mehr brauchen wir Zeit für Ihn. Zeit für Ihn ist Zeit für die anderen. Wer viel Wasser spenden soll, der muß länger an der Quelle verweilen. Das spannt und drängt oft, aber es ist der einzige Weg, um wahrhaft dazusein für die anderen und Ihn selber den anderen weiterzugeben.
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Schürmann, Heinz: Die Mitte des Lebens finden. Orientierung für geistliche Berufe, Freiburg i. Br. 1979, 31. ↩︎