Ist das Konzil schon angekommen?

Wie kann das Konzil ankommen?

Die Grundaussage unseres Dokuments ist durchaus eine Wegweisung, wie das Konzil ankommen kann und soll. Seine vielen einzelnen Vorschläge und Hinweise sind sehr nützlich dazu. Man kann bemängeln, daß ich sie nicht breiter ausgefaltet habe. Ich sagte bereits, warum ich es nicht tat. Ich möchte jedoch auf die eingangs erwähnte Diskussion mit ihrer Frage, was denn das Geheimnis der Kirche sei, nochmals eingehen. Dieses Geheimnis, so sahen wir, ist das Christusgeheimnis, das Ostergeheimnis, das Geheimnis des dreifaltigen Gottes. Was bedeutet das aber, wie kann das, über die Einzelaufgaben und Einzelprobleme hinaus und doch gerade in ihnen, Impuls und Gestalt werden? Stenographische Hinweise müssen genügen.

Das Christusgeheimnis ist das Geheimnis dessen, der ungetrennt und unvermischt Gott und Mensch in sich verbindet, in dem Gott sich ganz hingegeben und uns ganz angenommen hat. Nehmen wir das Menschliche an? Geben wir das Göttliche weiter? Verfallen wir nicht leicht alten Integralismen, statt ungetrennt und unvermischt alles unter den Anspruch des Evangeliums zu stellen und doch der Eigenständigkeit irdischer Sachbereiche das Recht zu lassen? Das Christusgeheimnis ist in der Tat ein Signal für unseren Weltdienst, aber auch für unsere Weise der Evangelisation, für jene Inkultu­ration, die nicht nur in der Dritten Welt, sondern allüberall zu geschehen hat; unser Dokument bezeichnet sie als „eine innerliche Umformung der authentischen Kulturwerte durch Einbindung in das Christentum und zugleich die Ein­wurzelung des Christentums in die verschiedenen menschlichen Kulturen“ (S. 19, II.D.4). Zwischen Anpassung und Getto weist das Verhältnis von Gott und Mensch in Jesus Christus uns den Weg.

Paschageheimnis: Wer Kreuz und Auferstehung zum Maßstab hat, der wird skeptisch gegen die glatten Lösungen. Er weiß, daß er Probleme weder wegkreuzigen darf noch sie ideologisch oder pragmatisch durchhauen kann. Hypomoné, aktives und zugleich doch geduldiges Durchtragen tut [66] not, Aushalten der Probleme, gegenseitiges Aushalten der Partner auch in der Kirche. Wir können weder restaurativ noch mit neuen Fundamentalismen das Reich Gottes herbeizaubern.

Trinitarisches Geheimnis: Leben wir jene Alternative trinitarischer Beziehung des Nehmens und Gebens, des Hörens und Sprechens gegenüber einer block- und zwanghaften wie einer unverbindlichen und individualistischen Lösung des drängenden Grundproblems Einheit? Was bedeuten also Menschwerdung, Kreuz und Auferstehung, dreifaltige Liebe hier und jetzt, in dieser Sach-, Struktur-, Stilfrage unseres kirchlichen und unseres gesellschaftlichen Lebens? Ich sehe in dieser Frage nicht eine spiritualistische Überhöhung, sondern eine Befähigung zu Sachlichkeit und Menschlichkeit. Menschen, gerade junge Menschen sehnen sich nach dem „Geheimnis“, nach dem Mehr und Anders. Sie brechen aus, träumen sich weg oder resignieren, wenn wir nicht jenes Geheimnis bezeugen, das nicht Ausbruch aus Welt und Menschsein bedeutet: der Gott, der unser Menschsein annimmt und mitlebt; der Gott, der uns aushält und mit durchhält bis zum Tod und durch den Tod; der Gott, der uns leben lässt wie er, in der Gemeinschaft seiner Liebe. Dieser Gott lässt uns Altes durchtragen und Neues wagen. Wo er aufscheint in der Kirche, ist das Konzil und ist mehr als nur das Konzil angekommen!